Die Spur verweist auf weiße Rassisten

USA Nach Morden an Justizmitarbeitern stehen Gefängnisgangs und die Arische Bruderschaft im Visier der Behörden

Mitglieder der Gang tragen Tätowierungen mit SS-Runen und Hakenkreuzen

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Die Angst geht um in Kaufman County im Südosten von Dallas. Seit dem Doppelmord an Bezirksstaatsanwalt Mike McLelland und seiner Frau Cynthia am vergangenen Wochenende stellen sich Mitarbeiter des Strafvollzugs die Frage: „Wer ist der nächste?“ Die Polizei eskortiert Beschäftigte zur Arbeit. Und vor dem Gericht patrouillieren Wachen mit Maschinengewehren.

Vor dem Doppelmord war bereits McLellands Stellvertreter, Bezirksstaatsanwalt Mark Hasse, am 31. Januar auf dem Parkplatz vor dem Gericht erschossen worden. Auch ein dritter Mordfall, bei dem in Denver, im Bundesstaat Colorado, am 19. März Gefängnisdirektor Tom Clement zu Tode kam, könnte in die blutige Serie gehören.

Bislang äußern sich die Ermittler nur anonym zu möglichen Tatmotiven. Der Hauptverdacht richtet sich in allen drei Mordfällen gegen weiße Rassisten, die aus US-Gefängnissen kommen. Hinter den beiden Morden in Texas könnte die Aryan Brotherhood of Texas stecken – eine Gang, die in den 80er-Jahren in den Gefängnissen des Bundesstaates entstanden ist. Hauptverdächtiger des Mordes in Colorado ist ein 28-jähriger weißer Rassist, Mitglied der dort entstandenen Gefängnisgang mit dem Namen „211“. Evan Ebel kam zwei Tage nach dem Mord an dem Gefängnisdirektor bei einer Schießerei mit der Polizei in Texas ums Leben.

Die Aryan Brotherhood of Texas (ATB), ist mit geschätzten 2.500 Mitgliedern die stärkste und brutalste Gefängnisgang in Texas. Sie wird für mindestens 100 Morde in texanischen Gefängnissen verantwortlich gemacht. Und sie gehört in den Dunstkreis der in den 60er-Jahren in kalifornischen Gefängnissen gegründeten Aryan Brotherhood, die auf nationaler Ebene operiert. Sie ist die stärkste kriminelle Organisation hinter Gittern. Rund ein Prozent der Gefängnisinsassen der USA gehören ihr an. Die Gang rekrutiert ihren Nachwuchs in Gefängnissen. Ihre Mitglieder tragen Tätowierungen mit SS-Runen und Hakenkreuzen. Sie verpflichten sich, der Gang bis in den Tod treu zu bleiben. Abtrünnigen und mutmaßlichen „Polizeispitzeln“ drohen Folter und Mord.

Mark Potok vom „Southern Poverty Law Center“, das die Aktivitäten von rassistischen Hassgruppen in den USA beobachtet, nennt die Aryan Brotherhood of Texas eine „unglaublich gewalttätige Gruppe“. Sie definiere sich ideologisch über aggressiven weißen Rassismus, arbeite jedoch auch mit mexikanischen und afroamerikanischen Gangs zusammen.

Die Aryan Brotherhood of Texas konzentrierte sich ursprünglich darauf, das Leben hinter Gittern zu kontrollieren. Doch nach den Attentaten vom 11. September ermordeten Mitglieder der Gang mehrere Menschen, die sie für Muslime hielten. In den letzten Jahren ist die Gang zunehmend in Drogenhandel, Prostitution und Erpressungen außerhalb der Gefängnisse verwickelt.

Im November 2012 erhob die Justiz in Texas Anklage gegen 34 Gangmitglieder – darunter vier Führungsmitglieder. Ihnen werden unter anderem Morde, versuchte Morde, Entführungen und Überfälle vorgeworfen. Wenige Tage danach verschickten die Sicherheitsbehörden von Texas ein Memorandum an Tausende Mitarbeiter des Strafvollzugs. Es enthielt die Warnung, die Gang sinne auf Vergeltungsmaßnahmen gegen Beschäftigte des Strafvollzugs.

Auch Mark Hasse, das erste Mordopfer in Texas, war an den Ermittlungen gegen die ABT beteiligt. Nach seinem Tod trat sein Chef McLelland mit einem breitkrempigen schwarzen Hut vor die Fernsehkameras und richtete sich direkt an die Mörder seines Stellvertreters. „Ich hoffe, ihr hört mich sprechen“, sagte er und drohte: „Ich werde euch herausholen. Ganz egal, in welchem Loch ihr euch versteckt.“

McLelland gehörte zu der Taskforce, die gegen die Aryan Brotherhood of Texas ermittelte. Und hinsichtlich des Mordes in Denver prüfen die Ermittler nun, welche Kontakte es zwischen den Gefängnisgangs in Colorado und Texas gibt.