Die Wüste grünt

Mit Kaffeesäcken und Kompost wollen Forscher der Bremer Universität den Vormarsch der Wüsten stoppen. Ihre Versuchsanlage ist eine Brache im Technologiepark: ein bisschen Bauschutt und ein Haufen Wesersand, ohne Schlick und Salz

CAFÉ DO BRASIL. Sonne und Regen haben den schwarzen Lettern auf den Jutesäcken nur wenig anhaben können. Auch das Gras, das sich in leuchtendem Hellgrün durch das Gewebe gedrückt hat, vermag die Schrift nicht zu verdecken. Die Halme sind jung und licht, noch.

Im Frühjahr, wenn die Tage wieder wärmer werden, soll es hier richtig sprießen. Das Gras soll dichter werden, die Kräuter keimen und ihre Wurzeln in den Boden schlagen. „Inseln der Revitalisierung“ nennt Hartmut Koehler seine Säcke. Säcke, die degradierten, toten Boden wieder lebendig machen. Säcke, die der Wüste Einhalt gebieten sollen.

Der Wüste Gobi etwa. Unaufhaltsam frisst sie sich von Norden her ins Land. Ein Drittel der Fläche Chinas, weiß der Biologe am Zentrum für Umweltforschung und Technologie der Uni Bremen, ist von Desertifikation bedroht. Jährlicher Schaden, das hat der Bundestag errechnen lassen: zwei bis drei Milliarden Dollar. „Bodenerosion ist menschengemacht“, sagt Koehler: „Da muss es doch auch möglich sein, sie zurückzudrängen.“ Und sei es mit alten Kaffeesäcken.

Koehlers Versuchs-Wüste liegt im Bremer Technologiepark. Es ist ein Haufen Bauschutt, mit Ziegelscherben und Betonbruch, und ein zweiter aus Wesersand, von Schlick und Salz gereinigt, alles von einem mannshohen Stahlzaun umschlossen. 482 der alten Jutesäcke haben die WissenschaftlerInnen der Bremer Uni hier ausgelegt, in Linien, quer zum Steilhang, auf der leicht abschüssigen Flanke in Halbmonden, die das von oben herunterlaufende Wasser aufsammeln, im Flachland als Gitter oder im schlichten Quadrat. Anstelle der Kaffeebohnen haben sie ein Gemisch aus Sand, Komposterde, Wurzelhack eingefüllt – Bremer Biotonne vom Feinsten, sozusagen. „Ich bin Kompost-Fan“, gesteht Koehler.

Entscheidend für den Erfolg der Wiederbesiedlungsmaßnahme aber, das zeigten Wiederaufforstungsversuche, die Koehler auf Mallorca durchgeführt hat, sind spezielle Zusätze zum Kompostgemisch, die das rare Wasser halten, Pflanzen stärken und das Bodenleben fördern sollen. Die Bremer BiologInnen experimentieren mit Tang, mit Pilzen, die die Nahrungsaufnahme der Pflanzen fördern, mit Kokos, Regenwürmern, Bodentierchen und chemischen Wasserspeichern. Farbige Schildchen kennzeichnen die Säcke. Das Bremer Umweltressort fördert das Projekt, die Chinese Science Foundation hat Interesse signalisiert.

Zehn Wochen liegen die Wiederbesiedlungs-Packs nun auf dem Sand, und auch das nur auf zehn Prozent der Fläche. Reicht das, um die Wüste zu begrünen? „Das ist unsere Erwartung“, sagt Koehler: „Dass Natur und Vegetation von den Insel ausstrahlen.“ Bis die Jute verrottet ist, so die Überlegung, bilden die Wurzeln der Gräser und Kräuter ein stabiles Geflecht, das den neuen Boden gegen Wind und Regen sichert. Tau, der an Blättern und Halmen kondensiert, sorgt auch an heißen Tagen für Wasser, absterbende Blätter und Humus, der sich in Ritzen und Gestrüpp verfängt, bildet neuen Boden: nicht die Wüste, sondern die Begrünung wächst. „Die zeitlichen Maßstäbe“ für diesen Prozess, räumt Koehler indes ein, liegen selbst bei hiesigem Klima „eher in Jahrzehnten“. Bis aus der Wüste im Technologiepark ein Biotop geworden ist, kann es also noch dauern. Armin Simon