Nun ist er schrecklich zerknirscht

FRANKREICH Exminister Cahuzac gesteht nach langem Leugnen, dass er – an der Steuer vorbei – Geld im Ausland geparkt hat. Die Justiz war ihm auf die Schliche gekommen

Sollte der Politiker verurteilt werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Monatelang hatte Jérôme Cahuzac eisern und vehement geleugnet, jetzt gab er klein bei: Der frühere französische Haushaltsminister hat am Dienstag auf seinem Webblog gestanden, seit zwanzig Jahren ein dem Finanzamt verheimlichtes Bankguthaben zu besitzen. Das Onlinemagazin Mediapart hatte dies zuvor behauptet, ohne allerdings schlüssige Beweise zu liefern.

Cahuzac versuchte sich nun bei Präsident François Hollande und den Regierungskollegen damit zu entschuldigen, dass er in eine ausweglose „Lügenspirale“ geraten und jetzt von Selbstvorwürfen und Reue am Boden zerstört sei. Premierminister Jean-Marc Ayrault sagte am Dienstagabend im Fernsehen, er sei aus allen Wolken gefallen.

Damit hat die Affäre Cahuzac eine neue Wendung genommen. Der 60-jährige Politiker hatte vor zwei Wochen seinen Rücktritt eingereicht, nachdem die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Voruntersuchung gegen ihn angeordnet hatte.

Weil Cahuzac wohl wusste, dass die Justiz ihm auf die Schliche kommen würde, ging er auf Anraten seines Anwalts von sich aus zum Untersuchungsrichter, um ein volles Geständnis abzulegen. Er bestätigte dabei, dass er dem Fiskus die Existenz von rund 600.000 Euro verschwiegen hat, die sich derzeit in Singapur befinden. Gegen Cahuzac wird nun wegen „Geldwäscherei im Zusammenhang mit Steuerbetrug“ ermittelt. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis. Moralisch ist er als Politiker bereits erledigt.

Der Schock in Frankreich ist gewaltig, die Verlegenheit groß. In einer kurzen Fernsehansprache versuchte Präsident Hollande am Mittwochmittag, den Schaden zu begrenzen. Er sprach von einem „schweren und unverzeihlichen Verstoß“ eines Ministers, der nicht nur ihn persönlich verraten, sondern die ganze Nation belogen und die Republik zutiefst beleidigt habe.

Hollande kündigte zudem ein Gesetz an, das es Politikern, die einmal wegen Betrugs oder Korruption verurteilt wurden, verbieten soll, je wieder für ein Amt zu kandidieren.

Der Präsident weiß nur zu gut, dass dieser Skandal auf ihn und seine Regierung zurückfallen wird. Im Namen der Opposition verlangte der frühere Parlamentspräsident Bernard Accoyer eine offizielle Entschuldigung durch Hollande.

Der Chef der Rechts-Mitte-Partei UMP, Jean-François Copé, meinte, der Präsident sei entweder naiv gewesen oder aber er habe bei der Kontrolle des von ihm nominierten Ministers in sträflicher Weise versagt. Der rechtspopulistische Front National fordert die Auflösung der Regierung und Neuwahlen.

Dass Lügen kurze Beine haben, hätte auch Jérôme Cahuzac wissen müssen – nicht erst, als er im Juni 2012 bei der Regierungsbildung durch seinen langjährigen Parteifreund und neuen Präsidenten Hollande das Amt des Haushaltsministers akzeptierte. Damals unterzeichnete er wie alle Kabinettsmitglieder eine Erklärung, in der er seine Unbescholtenheit bescheinigte und versprach, sich als Minister beispielhaft zu verhalten.

Als das Onlinemagazin Mediapart enthüllte, dass Cahuzac bis 2010 ein verheimlichtes Schweizer Konto besessen habe, protestierte der Minister, er sei Opfer einer Verleumdung. Er beteuerte in allen Medien und vor den Abgeordneten der Nationalversammlung, er habe zu keinem Zeitpunkt ein nicht deklariertes Bankguthaben im Ausland gehabt. Er spielte seine Rolle des zu Unrecht Verfolgten so gut, dass ihm der Präsident, der Premierminister und alle Parteifreunde, aber auch ein großer Teil der öffentlichen Meinung Glauben schenkten. Manche vermuteten eine Intrige, hinter der gewisse Oppositionspolitiker, die Scheidungsanwältin und übereifrige Privatdetektive seiner Exgattin steckten.

Gegen Cahuzac sprach eine Tonbandaufnahme, auf der eine dem Exminister zugeschriebene Stimme von einem lästigen Konto bei der UBS sprach. Ermittler entdeckten bei der Durchsuchung einer Bank in Genf Belege für die Existenz des Kontos, wie gestern bekannt wurde.

Vielleicht wäre Cahuzacs Rechnung aufgegangen, wären die Journalisten von Mediapart sich ihrer Sache nicht so sicher und nicht so hartnäckig gewesen. Jetzt wird er wegen seiner faustdicken Lügen schon als „Pinocchio“ karikiert.

Die Zeitung Midi Libre verglich die Angelegenheit aber auch schon mit der Affäre um den EX-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn: „Zwei Lügen, zwei von der Justiz belangte Politiker, zwei enorme Pleiten und eine vom Verrat erniedrigte politische Führung.“ Die Zeitung L’Alsace prophezeit: „Diese Wende (im Fall Cahuzac) ist dennoch verheerend für den Präsidenten, der diesem verwundbaren Mann sein Vertrauen geschenkt hatte.“ Zur wirtschaftlichen und finanziellen Krise kommt durch Cahuzacs Schuld eine moralische und politische Krise, die Frankreich wirklich nicht nötig hatte.

Meinung + Diskussion SEITE 12