Revolutionäre ab ins Museum

1989 Berlin plant ein „Zentrum für Oppositionsgeschichte gegen die SED-Diktatur“. Finanzieren soll das der Bund. Doch Staatsminister Bernd Neumann ziert sich noch

■ Mehrere tausend Menschen haben am Samstag das Bürgerfest in der Bundesbehörde für Stasiunterlagen in Lichtenberg besucht. Nach Angaben eines Sprechers herrschte den ganzen Tag großer Andrang auf dem Gelände an der Ruschestraße. Das Bürgerfest war von der Behörde anlässlich des 20. Jahrestags der Besetzung der Stasizentrale organisiert worden. Eröffnet wurde es von der Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, Marianne Birthler.

■ Den ganzen Tag gab es Führungen, Lesungen und Filmvorführungen sowie Diskussionen mit Zeitzeugen. Besonderes Interesse der Besucher galt dem Rundgang durch das Stasiarchiv.

■ Bürgerrechtler hatten am 15. Januar 1990 die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) besetzt. Damals strömten rund 2.000 Demonstranten auf das Gelände und sicherten umfangreiche Aktenbestände. (ddp)

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Demonstranten für die „friedliche Revolution 89“ in Berlin und ihre Geschichte sollen ins Museum marschieren. Nach langen Verhandlungen zwischen den rot-roten Regierungsfraktionen sowie Teilen der Opposition will das Abgeordnetenhaus am heutigen Montag einen Antrag beschließen für die Errichtung eines „Zentrums für Widerstands- und Oppositionsgeschichte gegen die SED-Diktatur“. Der Senat wird darin aufgefordert, das Projekt mit dem Bund zu realisieren.

Dass der Beschluss im Kulturausschuss eine Mehrheit findet, gilt als sicher. Bis auf die FDP unterstützen alle Fraktionen die Vorlage, auch die Linkspartei. Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hofft, dass damit ein „wichtiges Projekt auf den Weg gebracht“ werden kann. Geklärt werden muss außer der Trägerschaft des geplanten Dokumentationszentrums vor allem, wer es finanziert. Berlin möchte die Mittel für das Vorhaben von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Der Bund hat bisher aber keine Zustimmung signalisiert.

Das geplante Zentrum für Oppositionsgeschichte geht auf eine Initiative der Robert-Havemann-Gesellschaft zurück. Tom Sello, Kurator der laufenden Open-Air-Schau zum Herbst 1989 auf dem Alexanderplatz, hatte 2009 angeregt, über die Zukunft der Exponate nachzudenken. Die SED-Oppositionsgeschichte solle „in einem eigenen Museum“ dauerhaft Platz finden und ein Bildungszentrum sowie ein Archiv beherbergen. Träger könnte die Robert-Havemann-Gesellschaft selbst werden. Neben den Grünen unterstützt auch Exkultursenator Thomas Flierl (Linke) das Projekt seit 2009. Zu dem Ort und den Kosten gibt es noch keine Angaben.

In dem besagten Antrag, der der taz vorliegt, wird „der Senat aufgefordert, Gespräche mit dem Bund“ über das DDR-Widerstandszentrum aufzunehmen. Der Bund habe im „Prozess der deutschen Einheit bereits 1998 den Aufarbeitungsprozess der SED-Diktatur als gesamtstaatliche Aufgabe formuliert“, heißt es. Das Zentrum könne dem Widerstand und der Opposition „einen herausgehobenen Platz einräumen“. Als Standort biete sich Berlin „in hervorragender Weise“ an. Träger des Zentrums soll die Havemann-Gesellschaft werden, die mit „dem Archiv der DDR-Opposition, Bildungs- und Forschungszentrum sowie ihrer Geschichtswerkstatt sehr gute Voraussetzungen“ biete. Die Havemann-Gesellschaft war 1990 von der Bürgerbewegung Neues Forum als politischer Bildungsverein gegründet worden.

„Die SED-Oppositionsgeschichte muss in einem eigenen Museum ihren Platz finden“

TOM SELLO, KURATOR

Nach Ansicht von Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, müsse „hauptsächlich“ der Bund die Finanzierung des Dokumentationszentrums übernehmen. Dafür sollten sich der Senat und Klaus Wowereit einsetzen. „Herr Neumann hat sich bisher sehr zurückhaltend dazu verhalten. Auch im Koalitionsvertrag steht nichts mehr von dem Projekt“, so Ströver zur taz. Trotzdem hoffe sie, dass sich Neumann im Rahmen einer Stiftung beteilige und das Oppositionszentrum „mit voranbringt“. Neumanns Sprecher war am Sonntag nicht zu erreichen.

CDU hadert

Die SPD fordert, dass der Bund – wie bei der Stiftung Aufarbeitung – die „gesamte Finanzierung übernimmt“, sagte Lange. Ihr sei wichtig, dass die Robert-Havemann-Gesellschaft mit dem Museum endlich neue Räume erhalte und damit „eine wichtige Bildungsarbeit“ gewürdigt werde. Während Grüne und die Linke für eine Trägerschaft durch die Havemann-Gesellschaft plädieren, hadert die Berliner CDU noch mit der vollen Bundesbeteiligung sowie der alleinigen Trägerschaft des Bürgerbewegungsvereins. Hier müsse die „große Schwester CDU“ noch überzeugt werden, so eine Abgeordnete.