Politischer Mord mit Folgen für die Familie des Opfers

INGUSCHETIEN Drei Verwandte der Witwe werden erschossen, vier weitere sind verschwunden

BERLIN taz | Vier Angehörige des im Oktober 2009 ermordeten inguschetischen Menschenrechtlers Makscharip Auschew sind in St. Petersburg spurlos verschwunden. Dies berichtet die Nowaja Gazeta – St. Petersburg in ihrer letzten Ausgabe.

Auschew war der Besitzer der kritischen Internetseite ingushetia.org. Die vier Verschwundenen sind Verwandte seiner Witwe, der 27-jährigen Fatima Dschaniewa, und wollten diese von Inguschetien nach St. Petersburg begleiten. Noch in Inguschetien wurde Mitte Dezember auf das Auto der Familie der schwangeren Dschaniewa von Maskierten ein Anschlag verübt, bei dem ihre Mutter und ihr Bruder getötet wurden. Drei Tage später erlag auch der dritte Fahrgast, Amirchan Dschaniew, seinen Verletzungen. Nach der Beerdigung hielt die Familie an dem St.-Petersburg-Plan fest, wo die Witwe in relativer Sicherheit sein würde, ihre beim Anschlag erlittenen Verbrennungen behandeln lassen und ihr Kind zur Welt bringen könne.

Am Morgen des 27. Dezember 2009, so der Kawkaskij Uzel, der Internet-Nachrichtenserver der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, hatte die Gruppe St. Petersburg erreicht. Nachdem Dschaniewas Verwandte, zwei Onkel, ein Bruder und ein Neffe, diese bei weiteren Angehörigen untergebracht hatten, machten sie sich am späten Abend auf den Weg in ein Petersburger Hotel. Dort sind sie nie angekommen.

„In der Nacht um 1 Uhr versuchte ich, die vier telefonisch zu erreichen, weil sie sich nicht gemeldet hatten“, berichtet Tansila Dobriewa, die Ehefrau eines der Vermissten, der Nowaja Gazeta – St. Petersburg, „doch alle vier Handys waren abgeschaltet“. Am Morgen machten sich weitere Verwandte auf die Suche nach den Vermissten, sprachen mit allen Milizstationen des St. Petersburger Stadtbezirkes Wassili-Ostrow, doch ergebnislos. „Die Männer hatten sich in Luft aufgelöst. Ich bin mir ganz sicher, dass sie entführt worden sind.“

Die Milizionäre hätten lediglich die Achseln gezuckt und den besorgten Frauen erklärt, die Vermissten wünschten womöglich gar nicht, dass ihre Frauen sie suchten. Dobriewa ist sich sicher, dass ein Zusammenhang zwischen dem Verschwinden ihrer Angehörigen und den Morden in Inguschetien besteht.

Der Radiosender „Echo Moskaus“ bestätigte inzwischen unter Berufung auf die Nachrichtenagentur RIA Novosti, dass die St. Petersburger Miliz die Suche nach den Vermissten aufgenommen habe. Fatima Dschaniewa hat unterdessen am 31. Dezember 2009 einen Jungen zur Welt gebracht. BERNHARD CLASEN