Pornograf wider Willen

Lange hatte die Hauptverwaltung „Verlage und Buchhandlungen“ gezögert. Dann aber drückte der Sachbearbeiter 1988 ein Auge zu und der Erstling des Rainer Prachtl durfte erscheinen. Prachtl, der am Donnerstag in Schwerin aus den Händen des Hamburger Erzbischofs Werner Thissen den päpstlichen Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“ erhält, hatte ein Kochbuch verfasst.

Es heißt „Von Sankt Martin bis Silvester: kulinarisches Brauchtum zur Weihnachtszeit“, und unklar bleibt, wo genau die Paranoia der untergehenden DDR in der Rezeptsammlung die Konterrevolution witterte: Lag’s an den aufwieglerischen Bildern von Keniabananen? War das Hutzlbrot das Problem?

Immerhin, Prachtl, Jahrgang 1950, hatte ’78 die Caritas-Küche zu Neustrelitz gegründet. Als ausgebildeter Koch leitete er sie seither – und es war wohl die einzige nichtstaatliche Küchen-Ausbildungsstätte, deren Zertifikate die DDR anerkannte. Von da switcht der Diplom-Wirtschaftswissenschaftler 1989 in die Politik: mit 39 weiteren Gemeindemitgliedern tritt er am 19. Dezember der CDU bei, wird im Juni Vize-Regierungsbevollmächtigter von Neubrandenburg und im Herbst erster Landtagspräsident Mecklenburg-Vorpommerns. Über seine Amtsführung heißt’s, er sei stets interveniert, „um Wogen zu glätten“. Und auch sonst eckt er allenfalls durch eine exorbitante Harmoniesucht an: Ende der 1990er befriedigt er die zum Leidwesen seiner eigenen Partei zumal in der Schweriner Enquetekommission „Leben in der DDR“, deren „sachlicher und differenzierter Umgang mit der DDR-Gesellschaft“ vor allem der Bundes-PDS gefällt.

Als die Mehrheiten wechseln, macht man ihn zum Chef des Petitionsausschusses, vulgo: Kümmer-Onkel. Und seit 2006 kandidiert der gute Mann nicht mehr, dessen schlimmstes Laster das Verfassen unfreiwillig pornografischer Naturlyrik ist: „Ich stochere in schwarzen Feuerresten“, heißt’s da, „Buchstabiere den Ausweg:/ TIEFES PFLÜGEN“ – sowas halt. Aber auch dabei hält er sich seit langer Zeit zurück.  BES