LESERINNENBRIEFE
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Mit Sectio-Prämie in den Urlaub

■ betr.: „Ein Einschnitt fürs Leben“, taz vom 16./17. 1. 10

Insgesamt hätte ich eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Thema und den Aussagen des Gynäkologen Herrn Henrich erwartet. Dass nahezu jedes dritte Kind per OP geboren wird, ist schon wieder ein alter Hut. Insofern wäre es doch spannender gewesen herauszufinden, warum es Ärzte überhaupt bis zum Kaiserschnitt kommen lassen und warum sie, im Gegensatz zu früher, die juristischen Konsequenzen so fürchten. Die angeführten Gründe, also Alter der Mutter, Diabetes oder Bluthochdruck sind immer die vorgeschobenen Argumente der Pro-Sectio-Fraktion, aber keinesfalls überzeugend.

Gut fand ich, dass Sie den finanziellen Aspekt erwähnt haben. Es soll Ärzte geben, die noch schnell ihre Patientin „überzeugen“ und die Sectio-Prämie abkassieren, bevor sie sich in den Urlaub verabschieden, während ihre Patientin in der Belegbettenklinik verweilt.

Sie haben leider die Kinder nur in Bezug auf die Bindungstheorie erwähnt. Es gibt genügend Neugeborene, die sehr empfindlich auf Kaiserschnitte reagieren und des Öfteren „Startschwierigkeiten“ haben, besonders, was das Atmen angeht. Außerdem: Bei einer Spontangeburt wird in der Regel das Kind sofort auf die Brust der Mutter gelegt und innerhalb der ersten Stunde gestillt. Das schafft die sehr wichtige erste Nähe und ist auch für die Frau von Vorteil, seelisch sowie hormonell. Bei einem Kaiserschnitt haben die meisten Frauen in der Regel Narbenschmerzen und können sich in den ersten Tagen ihr Kind nicht auf den Bauch legen lassen. FRANK SCHWARZ, München

Minderjährige Politneulinge

■ betr.: „SPD kritisiert die Politik von Schwarz-Gelb“, taz v. 16. 1. 10

Jetzt hat Deutschland endlich die einzig wahre, so herbeigewünschte Superregierung – was für eine Riesenlachnummer. Die, die jahrelang große Töne gespuckt, auf den Sozis rumgehackt haben und wie gut sie doch das Land regieren könnten, blamieren sich bis auf die Knochen. Noch nie hat ein Kabinett so wenig Profil und Kompetenz besessen wie dieses, wo sind solche Politikerpersönlichkeiten wie Steinbrück, Steinmeier oder Müntefering im jetzigen Kabinett zu finden? Vor allem das liberale Kabinettspersonal bestehend aus profillosen Selbstdarstellern, Frau Leutheusser-Schnarrenberger mal ausgenommen, ist doch eine Zumutung. Ist ja aber auch kein Problem, die Gesetze schreiben ja eh die Wirtschaftslobbyisten, nicht wahr, Herr Rösler? Eine apathische, führungsunfähige Kanzlerin, ein von sich selbst überwältigter Außenminister und ein Haufen minderjähriger Politneulinge sollen unser Land durch die Krise führen, was für ein Trauerspiel. Ganz zu schweigen vom völlig verlogenen konzeptionslosen Koalitionsvertrag, dem internen CDU-Richtungsstreit und dem offenem Machtkampf zwischen CSU und FDP. Jedes Volk bekommt zwar die Regierung, die es verdient, aber sind wir Deutschen wirklich so schlimm? MARCEL CHRISTOF, Halle

Parteilehrjahr

■ betr.: „Guttenberg erklärt den Krieg“, taz vom 12. 1. 10

In der untergegangenen DDR gaukelten einst Heerscharen teils weltfremder Dogmatiker Erna und Otto Normalverbraucher vor, was aus Sicht der allwissenden Partei und Arbeiterklasse denn nun „gerechte“ und „ungerechte“ Kriege sind. Heute versucht sich ein „adliger“ Verteidigungsminister als „metaphysischer Welterklärer“ im „sinnstiftenden Dialog“. Früher war dies in abgewandelter Form das „Parteilehrjahr“. Doch alle Sprachakrobatik nützt nichts: Krieg bleibt Krieg! DIETER BÄRENSTEIN, Schwerin

Mir hats die Sprache verschlagen

■ betr.: „Klassenkampf der Bildungsbürger“, taz vom 13. 1. 10

Obwohl ich mit dem Thema Schulreform und seinen Gegnern gut vertraut bin, hat mir der Artikel doch die Sprache verschlagen. Die Deutlichkeit, mit der der Autor aufzeigt, wie hier aus Bürgerkreisen untere Schichten abgeschrieben werden, ist erschreckend. Und wenn intelligent-witzige Schreiber wie Harald Martenstein, den ich bisher auch gern gelesen habe, solche Sätze wie „Bildung ist für fünfzehn Prozent der Bevölkerung objektiv wertlos geworden“ schreiben, macht mich das fassungslos. MARION MEYFAHRT, Kassel

Bitte weniger Schönfärberei

■ betr.: „Immer diese Widersprüche“, taz vom 13. 1. 10

Ihr Autor Andreas Fanizadeh teilt mit, fast alles, was das Land in den vergangenen Jahren offener und lebenswerter gemacht hat, sei mit der Partei B 90/Grüne verbunden. Nun: Die Partei der Grünen hat dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien zugestimmt; den Überwachungsgesetzen und Einschränkungen der Bürgerrechte durch die Otto-Pakete; der Beschleunigung der sozialen Spaltung dieser Gesellschaft durch die Gesetze Hartz I bis Hartz IV. Mit der Riester- und Rürup-Rente werden gewaltige Geldströme der staatlichen Umlagerente entzogen und den privaten, multinationalen Versicherungskonzernen ohne Garantien zur Verwertung überlassen.

Für die happy few mag das Leben offener und lebenswerter geworden sein, die Mehrheit wird zurückgelassen und drangsaliert.

Die Probleme, die die Partei zu Beginn benannt hat, Friedenspolitik, Arbeitslosigkeit, Umweltschutz, Energiepolitik, sind noch immer nicht gelöst, nur die damaligen Lösungsansätze wurden einfach als nicht tauglich bezeichnet und die Scheinlösungen (Wachstum, Repression, Kürzungen, Privatisierung) übernommen. Bitte etwas weniger Schönfärberei. JENS NIEMANN, Hamburg