Längere Arbeitszeit für Politiker

Die Legislaturperiode des Bundestags soll künftig von vier auf fünf Jahre ausgedehnt werden, fordern Politiker. In NRW finden die Landtagswahlen bereits seit 1970 nur zwei Mal im Jahrzehnt statt

VON MARTIN TEIGELER

Der Bund guckt sich was bei NRW ab. Wie im Parlament des bevölkerungsreichsten Bundeslands soll die Legislaturperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre ausgedehnt werden, fordern Vertreter von CDU und SPD. Doch Politiker und Bürgerrechtler wollen die Ausdehnung der wahlfreien Zeit nur, falls die Wählerschaft zugleich mehr Mitbestimmungsrechte bekommt. „Ich glaube, dass wir im Ernst über die Verlängerung der Legislaturperiode nur sprechen können in Deutschland, wenn wir vorher den Menschen mehr Gelegenheit geben, zwischen den Wahlen mitzuentscheiden“, sagt SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering, einer von drei NRWlern im Kabinett der großen Koalition.

Das Wahlvolk sollte zwischen den Wahlen in Form von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden die Möglichkeit haben, Entscheidungen mitzuprägen, so Müntefering. Auch Bundestagspräsident und NRW-CDU-Landesgruppenchef Norbert Lammert hatte sich wie andere Großkoalitionäre für eine offene Diskussion über eine Verlängerung der Wahlperiode von derzeit vier auf fünf Jahre ausgesprochen.

Bereits vor zwei Jahren hatte der damalige Chef der NRW-Sozialdemokraten in Berlin, der Heidener Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Kemper, eine politische Fristverlängerung ins Gespräch gebracht. Eine Legislaturperiode von wie bisher vier Jahren auf Bundesebene gestatte gerade mal zwei Jahre Zeit zum freien Gestalten der Politik, rechnete Kemper vor. „Die Hälfte der Zeit geht verloren: Zunächst gibt es Anlaufschwierigkeiten für das neue Kabinett. Und ein Jahr vor der nächsten Wahl guckt schon wieder alles auf den drohend nahenden Termin.“

In Nordrhein-Westfalen gilt die verlängerte Periode für das Landesparlament bereits seit 1970. Seitdem finden Landtagswahlen nicht alle vier Jahre, sondern nur zweimal im Jahrzehnt statt. Dies war parteiübergreifend anlässlich der NRW-Verfassungsreform von 1969 beschlossen worden. Das größte Bundesland habe positive Erfahrungen mit der fünfjährigen Legislaturperiode gemacht, sagt der Duisburger Politikwissenschaftler Thorsten Faas. „Allerdings stehen Länderparlamente ohnehin nicht so im Mittelpunkt wie die Arbeit von Bundestag und Bundesregierung.“ Im Düsseldorfer Landtag sei der Unterschied zwischen vier- und fünfjährigen Legislaturperioden geringer als er auf der Bundesebene. Durch die Verlängerung würde man ein „Arbeitsjahr“ dazugewinnen, so Faas. „Allerdings, dass darf nicht vergessen werden, auf Kosten der Mitsprachemöglichkeiten der Bürger.“

Gegen die zeitliche Dehnung der Demokratie ohne Kompensation wehren sich deshalb auch Bürgerrechtler. „Wichtig ist, dass der Wähler auf Bundesebene nicht darauf beschränkt werden darf, nur Wähler zu sein“, sagt Daniel Schily, NRW-Sprecher des Vereins „Mehr Demokratie“ (siehe Interview). Die Pläne der großen Koalition seien nur akzeptabel, wenn ein Ausgleich geschaffen werde. Dem Bürger sollten mehr Mitspracherechte bei politischen Entscheidungen in Form von Elementen direkter Demokratie gewährt werden.

„Es geht um einen Ausgleich zwischen Effizienz und Transparenz“, sagt Politikwissenschaftler Faas. Hier gelte es, eine Balance zu finden. „Bundestag und Bundesregierung brauchen natürlich Zeit, um ihre Wahlprogramme solide und handwerklich sauber umsetzen zu können; andererseits ist die Beteiligung der Bevölkerung über Wahlen der zentrale Legitimationsmechanismus in der Demokratie“, sagt der Duisburger Parteienforscher. Diese Balance zu finden, sei gerade in der Mediendemokratie und in Zeiten des „permanent campaigning“ nicht leicht.