angriff der killerkartoffeln von RALF SOTSCHECK
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Nächsten Sonntagnachmittag um kurz nach drei Uhr fliegen in britischen Haushalten wieder die Fetzen. Bei 60 Prozent der Briten bricht am Weihnachtstag Streit aus, bei mehr als zwei Dritteln davon gleich nach dem Essen – pünktlich zu Beginn der Rede von Königin Elisabeth. Dafür kann die Queen allerdings nichts. Es liegt am Essen.

Das haben britische Wissenschaftler an der Royal Society of Medicine herausgefunden. Das traditionelle Festmahl mit Truthahn, Schinken, Rosenkohl und Röstkartoffeln bringe den Blutzucker durcheinander, sagen Paul Clayton und Helen Conn, die Autoren des Berichts. Und wenn er sich wieder eingekriegt hat, wird der Pudding serviert, der in Großbritannien keine leichte Süßspeise sei, sondern ein schweres Backwerk mit Rosinen und Gewürzen. Übeltäter sei aber vor allem die Kartoffel: Kohlehydratbomben machen aggressiv. Hinzu kommen Knabbereien wie Kartoffelchips und Erdnüsse, wovon man Durst bekommt, der mit Unmengen Alkohol gelöscht werden muss, was Öl auf das Streitfeuer ist, meinen Clayton und Conn. Ach, hätten sie doch früher geforscht, dann wären möglicherweise einige Kriege zu vermeiden gewesen. Hatte Premierminister Tony Blair eine Megaportion Pommes frites gegessen, als er beschloss, in den Irak einzumarschieren?

Das Essen sei aber nicht alleine schuld, meint die Royal Society. Es gebe auch Stress, weil die meisten im Weihnachtskaufrausch zu viel Geld verplempert haben und nun hochverschuldet sind. Und dann kommt auch noch die lausige Verwandtschaft zu Besuch – mit lärmender Kinderschar womöglich, die Geschenke abkassieren will. So geht es der Queen zum Beispiel. Wer will Weihnachten schon mit Prinz Philip verbringen, der nicht mal Kartoffeln benötigt, um bösartig und beleidigend zu werden? Oder mit dem ewigen Thronfolger Charles und seiner neuen Gattin Camilla?

Mit seiner ersten Frau Diana machte das Fest auch nicht richtig Spaß, weil sie wegen ihrer Bulimie den Truthahn gleich nach dem Essen wieder ausgekotzt hat. Aber dadurch wurde sie wenigstens nicht aggressiv. Vermutlich hält die Königin ihre Weihnachtsansprache gleich nach dem Mittagessen, damit sie aus ihrem Palast verschwinden und bei der BBC ein paar ruhige Stündchen mit den Untertanen verbringen kann.

Die Wissenschaftler der Royal Society haben einen alternativen Speiseplan mit natürlichen Beruhigungsmitteln in rauen Mengen aufgestellt: als Vorspeise Räucherlachs auf Pumpernickel mit fettarmem Schmierkäse. Das mache Menschen zahm, sagen Clayton und Conn. Der Truthahn soll mit Olivenöl und Knoblauch eingerieben und mit Kastanien und Zitronenschalen gefüllt werden. Statt gerösteter Kartoffeln gibt es Jerusalem-Artischocken, die mit Öl zu einer Paste verarbeitet werden. Die traditionelle Cognacbutter bleibt im Schrank. Zum Nachtisch reiche man Obst. Das Essen wird mit einem Tässchen Ingwertee abgerundet.

Ingwertee? Das löst bei den trunksüchtigen Inselbewohnern doch erst recht Streit aus. So viele Artischocken kann kein Brite zur Beruhigung essen. Es würde nur funktionieren, wenn man den Truthahn mit Valium füllte, damit die Nation nach dem Essen friedlich ins Bett sinkt.