Und es schillerte die Beule

Der kleine Maurer mit den Bügelflaschen. Ein wahres Weihnachtsmärchen

Eine Flasche Korn, viel Bier und ein gutes Dutzend Mett-brötchen hatte er im Bauch

Es war ganz abscheulich kalt, es schneite, und es begann, dunkler Abend zu werden; es war auch der Heilige Abend. In dieser Kälte und in diesem Dunkel ging auf der Straße ein kleiner Maurer mit einer ungeheuren Beule am Kopf und nackten Füßen. Ja, er hatte ja freilich seine schweren Schuhe mit den Metallkappen angehabt, als er am Morgen zu Hause wegging, aber was konnte das helfen! Es waren unverwüstliche Schuhe, sein Lehrmeister hatte sie zuletzt benützt, als er vom Gerüst zehn Stockwerke in die Tiefe gestürzt war, so unverwüstlich waren sie. Diese Schuhe hatte der kleine Maurer verloren, als er bei der Weihnachtsfeier auf der Baustelle mit den Kollegen um die Wette getrunken hatte.

Zehn Fläschchen Magenbitter wollte er genauso schnell austrinken wie sein Gegenüber eine Flasche Bier, aber nach dem achten Fläschchen musste der Maurer sich übergeben, weil er schon eine ganze Flasche Korn und einen halben Kasten Dunkles im Bauch hatte. Nicht zu vergessen ein gutes Dutzend Mettbrötchen, oder wie der Lehrmeister immer sagte: „Semmel mit Maurermarmelade“.

Da ging nun der kleine Maurer mit den nackten Füßen, die rot und blau vor Kälte waren; in einer alten Plastiktüte trug er eine Menge leerer Bügelflaschen. Denn nachdem er sich so schrecklich hatte übergeben müssen, war er in den Bauwagen getorkelt und noch im Stehen eingeschlafen. Da war er schwer auf den Boden gestürzt, genau dort, wo der Henkelmann des Poliers gestanden hatte; und davon kam die Beule an seinem Kopf.

Als er dann erwacht war, hatten die Kollegen sich längst nach Hause begeben. Überall hatten leere Bügelflaschen herumgelegen, und da der kleine Maurer beim Wetttrinken auch all sein Geld verloren, raffte er so viele Flaschen wie möglich auf, denn er verspürte fürchterliches Kopfweh und wollte sich vom dem Geld fürs Leergut Aspirin beschaffen.

Doch keiner hatte ihm etwas abgekauft, keiner ihm einen kleinen Cent gegeben – alle Supermärkte hatten längst geschlossen, und die Tankstellen nahmen nur Longneck-Flaschen an, aber keine mit Bügelverschluss. Elend vor Kopfweh und verfroren ging er dahin und sah so zerprügelt aus, der arme kleine Tropf! Die Schneeflocken fielen auf seine ungeheure, grün und lila schillernde Beule und vergingen zischend auf der heißen Haut – aber das linderte seinen Schmerz freilich wenig.

Aus allen Fenstern leuchteten Lichte, und dann roch es da in der Straße so herrlich nach kandierten Äpfeln und Nüssen, es war ja Weihnachtsabend. Hinten in einer Ecke zwischen zwei Häusern, das eine war ganz vorbildlich verputzt, wie der kleine Maurer anerkennend vermerkte, da kauerte er sich hin. Die kurzen Beine hatte er hinaufgezogen unter sich, aber er fror noch mehr und weil er vor lauter Kopfweh gar nicht denken konnte und auch sonst kein kluger Bursche war, fiel ihm nicht ein, wie er hieß und wo er wohnte.

Ach, ein kleines Bierchen würde jetzt gut tun! Er zog jetzt alles heraus, was in der Tüte war, und prüfte, ob nicht in irgendeiner Flasche noch ein Schluck übrig geblieben war. Da!, diese da war noch halb voll! „Plop!“, wie das klang, wie es aufschäumte! Das Bier war eine abgestandene Brühe, aber in seinem Bauch brannte es warm wie eine Kerze. Dem kleinen Maurer schien es mit einem Mal, als säße er an einem blankpolierten Tresen; die Zapfhähne zischten, die blonde Wirtin ließ ihn tief ins kolossale Dekolleté sehen; nein, was war das schön! Der Maurer streckte schon die Hände aus, da entwich mit einem gewaltigen Rülpser Luft aus seinem Bauch und mit ihm auch all die Wärme. Der Tresen verschwand, er saß mit einer gänzlich entleerten Bügelflasche in der Hand. „Nun stirbt da jemand!“, sagte er, denn sein alter Lehrmeister, der der Einzige war, der gut zu ihm gewesen, hatte gesagt: „Mit deinen Rülpsern könntest du ein Schwein tot umfallen lassen.“

Er öffnete zwei, drei weitere Flaschen, doch erst in der vierten fand sich wieder ein Rest. Den trank er schnell, in seinem Bauch war ein wunderbares Flimmern, und auch die Gasse schien nun zu leuchten, und in diesem Glanze stand der alte Lehrmeister, so dick, so unrasiert, so breitschultrig und groß. „Meister!“, rief der kleine Maurer, „o, nimm mich mit! Ich weiß, du bist fort, wenn ich rülpsen muss, wie der blankpolierte Tresen und das kolossale Dekolleté!“

Und er öffnete in Eile alle übrigen Bügelflaschen und trank noch die kleinsten Tropfen daraus, er wollte den Lehrmeister recht festhalten, und es schien, als leuchtete nun auch die ungeheure Beule an seinem Kopf mit einem solchen Glanz, dass es heller war als am lichten Tag. Der Lehrmeister war früher niemals so dick gewesen, so groß; er hob den kleinen Maurer auf seinen Arm, und sie marschierten in Glanz und Freude ins nächste Wirtshaus, so blankpoliert, so kolossal! Und da war keine Kälte, kein Durst, kein Kopfweh – sie waren bei Gott!

Aber in der Ecke beim Hause saß in der kalten Morgenstunde der kleine Maurer mit seiner bunt schillernden Beule, mit einem Lächeln um den Mund – stand auf, klopfte sich ab und ging heim. Denn so ein bisschen Kälte bringt keinen kleinen Maurer um! KAY SOKOLOWSKY