TISCHGESPRÄCHE
: Nicht für vier

Sie redeten Französisch, damit ich nichts mehr von ihren Gesprächen mitbekam

Ihr kennt ihn bestimmt: den Hipster-Vietnamesen. Den Durchlauferhitzer mit Menü 1 und 2 an der Hasenheide. Das kleine Restaurant, das ständig so voll ist, dass man irgendwohin platziert wird, sein Essen bekommt, kaum hat man es bestellt, und gleich wieder abserviert wird. Da war ich neulich.

Und saß mit drei jungen Studentinnen am Tisch. Sie redeten Französisch, damit ich nichts mehr von ihren Gesprächen mitbekam. Allerdings war ihr Französisch so schlecht, dass ich doch einiges verstehen konnte. Ich überlegte mir, ob ich mich auf Französisch von ihnen verabschieden sollte, aber ich war zu nervös. Ich hatte die Befürchtung, in meinem französischen Satz einen entscheidenden Fehler zu machen und mich damit noch mehr zu blamieren. Also ließ ich’s.

Vorher hatten sie noch auf Deutsch von einem Kino in einer marokkanischen Stadt erzählt, das sonntagnachmittags den neuesten Blockbuster vorführte. An einem dieser Sonntage war das Kino wieder bis auf den letzten Platz besetzt, während ein Erdbeben stattfand, von dem im Kino kaum etwas zu spüren war. Als die Kinobesucher Stunden später wieder ins Freie traten, sahen sie ihre Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Allein das Kino hatte das Erdbeben schadlos überstanden.

Dann begann eine Geschichte, in der eine Nazifresse und mehrere Arab Boys vorkamen. Ich überlegte, wie eine Nazifresse genau aussah. Die Erzählende, ohnehin das Problemmädchen am Tisch, das sich vorher lange über ihre Einsamkeit beklagt hatte und zu der Idee eines Ferienlagers bloß meinte, „da lege ich mich sowieso wieder mit jedem an“, bemerkte es und sagte: „Ich erzähle die Geschichte hier nicht für vier Leute.“

Sie musste sich selbst mitgezählt haben. Denn sie waren ja nur zu dritt. Und dazu eben ich. Mir fiel keine schlagfertige Antwort ein. RENÉ HAMANN