Geist als Kapital

WERTE Ob Bauer, Banker oder Fabrikant: Alternativ wirtschaftende Unternehmer zeigen, dass es sich lohnt, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Mit Nachhaltigkeit rechnet sich auch die Rendite

Fair ist nicht gleich fair: Immer mehr Konsumenten finden es wichtig, dass nicht nur der Kaffeebauer in Costa Rica „fair“ behandelt und bezahlt wird, sondern auch der Mitarbeiter, der die Bohnen in hiesige Regale räumt. Gleiches gilt für andere Produkte – vom Pullover bis zum Girokonto.

Für viele anthroposophisch inspirierte Unternehmen ist das nichts Neues, für sie war die Lebensqualität der Mitarbeiter schon immer ein gleichwertiger Faktor neben Gewinn und Wachstum. Mittlerweile wirkt dieses Prinzip sogar als veritabler Jobmotor – Betriebe wie dm, Alnatura oder die GLS Bank bieten rund 75.000 Arbeitsplätze in Deutschland. „Wirtschaft ist für den Menschen da und ohne den Menschen gibt es keine Wirtschaft. Insofern sollte der Mensch beim Wirtschaften immer im Mittelpunkt stehen“, stellt Theo Stepp fest. Er ist Pressesprecher bei Weleda, Hersteller von Naturkosmetik und Arzneimitteln. Offenheit und Vertrauen beim Kunden und bei den Mitarbeitern haben Priorität.

Nicht nur in diesem Punkt ergreifen anthroposophisch orientierte Unternehmen die Initiative. Arbeits- und Lebensziele der Mitarbeiter möchte man in Einklang bringen, „indem wir mit vielen Maßnahmen die Vereinbarkeit und Familie und Beruf ermöglichen“, so Stepp. Dazu gehört auch das hauseigene Programm „We care“, das auf die Notwendigkeiten der häuslichen Pflege für ältere, hilfsbedürftige Familienmitglieder antwortet. Bei der Gestaltung des Arbeitsalltags wird darauf geachtet, dass eine Atmosphäre von Respekt und Wertschätzung geschaffen wird. In der Ausbildung werden beispielsweise in Theater-Workshops Team- und Kommunikationsfähigkeiten vermittelt, sowie situationsangemessenes und flexibles Handeln gefördert.

Wer dabei nur an Ausdruckstanz denkt, verkennt die eigentliche Intention. Es geht darum, seiner Individualität Ausdruck zu verleihen und Konflikte zu thematisieren. „Wir verstehen uns als lernende Arbeitsgemeinschaft. In diesem Sinne versuchen wir dem Einzelnen möglichst vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten bei gleichzeitiger Übertragung von Verantwortung im Unternehmen zu ermöglichen“, betont Götz E. Rehn, geschäftsführender Gesellschafter der Bio-Supermarktkette Alnatura. Der Dialog auf Augenhöhe wird großgeschrieben, Hierarchien werden dagegen flachgehalten.

Alternative Wirtschaftskonzepte brauchen aber auch überzeugte Initiatoren. Dazu gehört Götz W. Werner, einstiger Gründer und heute Aufsichtsratsmitglied von dm. Den Erfolg von anthroposophisch inspirierten Unternehmen erklärt er sich mit der Kombination aus Erkenntnis und Handeln: „Denn es braucht Einsichten und Können, Initiative und Geistesgegenwart. Mit den Erkenntnissen kann ich mir Wissen über die Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung von Menschen und Gemeinschaften erarbeiten“, erklärt er.

Das Konzept scheint aufzugehen: dm kommt nicht nur in aktuellen Mitarbeiterbefragungen gut weg, laut Kundenmonitor Deutschland 2012 steht man auch in der Gunst der Konsumenten ganz oben. Alnatura konnte seinen Gewinn 2012 im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent steigern. Die Bilanzsumme der sozial-ökologischen GLS-Bank ist im vergangenen Jahr um 20 Prozent gewachsen. VIVIEN BERGELT