„Fürchterliche Blamage“

ZEITGESCHICHTE Ex-Strafverteidiger Heinrich Hannover lässt politische Prozesse von einst aufleben

■ hat sich als Strafverteidiger sowie als Autor zahlreicher Kinderbücher einen Namen gemacht.

taz: Sie präsentieren heute Tonaufnahmen mit Plädoyers alter politischer Prozesse. Waren solche Mitschnitte denn nicht verboten, Herr Hannover?

Heinrich Hannover: Mit Genehmigung aller Beteiligten war das erlaubt. Grundsätzlich gibt es aber keine Wortprotokolle im deutschen Strafprozess, das stimmt. Ich habe zum Teil ganze Hauptverhandlungen mitgeschnitten – um mich vor Ehrengerichtsverfahren zu schützen.

... Ehrengerichtsverfahren?

Bis in die Achtzigerjahre hinein gehörte es zum guten Ton, dass linke Anwälte mit solchen Verfahren überzogen wurden, weil sie sich angeblich standeswidrig geäußert hatten oder die Gerichtstür ‚zu laut‘ zugeschlagen hatten. Das war eine lästige Begleiterscheinung.

Und um welche Prozesse geht es heute?

Das eine ist eine Strafsache von 1971: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Otto Freiherr von Fircks wurde auf Wahlplakaten beschuldigt, sich während der Besetzung Polens an nazistischen Umtrieben beteiligt zu haben. Er hatte sich beleidigt gefühlt, Anzeige erstattet – und beim Amtsgericht Burgdorf eine fürchterliche Blamage erlebt. Wir konnten nachweisen, dass die Vorwürfe stimmten und er Polen mit Wanzen verglichen hatte. Daran sieht man, was die Deutschen den Polen damals für Unrecht zugefügt haben. Das ist heute etwas in Vergessenheit geraten. Im Herbst wird dieses Plädoyer zusammen mit einigen anderen auch als Buch mit CD erscheinen.

Wie ist das für sie, die alten Plädoyers nochmal zu hören?

Ich erlebe das durchaus mit einer gewissen Befriedigung. Und ich bin froh, die Gelegenheit gehabt zu haben, an der Aufklärung deutscher Verbrechen mitzuwirken. Interview: Jan Zier

20 Uhr, Villa Ichon, Raum 5