Ein Wendepunkt

PROZESS Ein 32-Jähriger wird wegen Diebstahls verurteilt und hofft auf bessere Zeiten

Man hat in Saal 651 des Bremer Amtsgerichts schon viele Leute gesehen, deren Leben – aus welchen Gründen auch immer – so sehr aus dem Tritt geraten ist, dass sie sich von Klein-Delikt zu Klein-Delikt hangeln. Dann wird dort ihre Lebensgeschichte ausgepackt und man denkt – wahrscheinlich nicht nur man selbst: Oh weh, aber was kann aus so einem Leben auch anderes werden? Niemand scheint dann das Gefühl zu haben, mit einem vielleicht auch milden, nachsichtigen Urteil sei ein Wendepunkt erreichbar; nein, selbst die Angeklagten nicht.

Gestern war das anders, ein seltener Hauch von Optimismus wehte durch den Saal. Da saß ein junger Mann, der zugab, besoffenen Kopfes in eine Arztpraxis eingestiegen zu sein, ohne allerdings, wie es in der Anklageschrift hieß, deren Tür aufgehebelt zu haben. Auch Morphium in verschiedenen Darreichungsformen wollte er nicht entwendet haben, nur ein Sparschwein vom Tresen mit wenig Geld drin.

32 Jahre ist er alt, arbeitslos, hat seit dem Realschulabschluss keine Ausbildung abgeschlossen, nahm Drogen trank viel zu viel Alkohol, wurde immer mal wegen kleinerer Sachen bestraft. Eine jener Biographien, die sich in traniger Aussichtslosigkeit bewegen.

Da herauszukommen – schwierig. Und er saß dort ganz allein, erzählte, wie er seit seiner Festnahme am 9. November keine Drogen mehr angerührt und beim Arbeitsamt erreicht hat, dass er in wenigen Wochen eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beginnen kann. Auf die Frage des Richters, wie er das geschafft habe, antwortete er: „Ich habe Druck gemacht. Ich bin jetzt 32, irgendwann wird es Zeit.“

In aussichtslosen Fällen könnte das rotzig klingen, könnte einem Angeklagten zum Nachteil werden: So, sie haben also Druck gemacht? Hier aber hört es sich nach Tatkraft an, die dem Willen entspringt, das Leben jetzt in bessere Bahnen zu lenken. Es klingt glaubwürdig, den Richter überzeugt es, er brummt ihm 90 Tagessätze zu acht Euro auf und wünscht ihm, dass er sein Leben in den Griff kriege. Der junge Mann sagt: „Ich hoffe.“ Und geht. Er könnte es schaffen. FEZ