Olympia 94 war doch so schön

PROVINZ Mafiaboss Frank packt aus – und taucht in der norwegischen Kleinstadt Lillehammer unter. Die kennt er noch aus dem Fernsehen. Steven Van Zandts Serie „Lilyhammer“ (So., 22 Uhr, TNT Serie)

Auf Frank warten ein Elektroauto, ein Integrationskurs und eine Schulung für Arbeitsuchende

VON HARALD KELLER

Eben noch war Frank Tagliano stolzer Barbesitzer in New York, nun sitzt er frierend in Lillehammer. Er wurde Opfer eines Machtkampfes innerhalb der New Yorker Mafia. Ein Konkurrent schickte einen Auftragsmörder aus, Frank überlebte knapp und übte Rache, indem er seinen Widersacher an das FBI verriet. Als Gegenleistung verlangte er eine neue Identität und den Transfer an einen Ort seiner Wahl. Diese fiel auf das norwegische Lillehammer. Frank glaubt die Stadt zu kennen – aus dem Fernsehen, von den Übertragungen der Olympischen Winterspiele 1994 – und ist sich sicher, dass kein Killer ihn je dort suchen wird.

Dieser Frank Tagliano kommt uns von Anfang an ziemlich bekannt vor. Nur kennen wir diese Figur unter einem anderen Namen: Silvio Dante. Acht Jahre spielte Steven Van Zandt, im Hauptberuf Gitarrist und als solcher unter anderem Bruce-Springsteen-Weggefährte, in der Kultserie „Die Sopranos“ den Betreiber des Bada-Bing-Stripclubs und zog aus den Hinterzimmern des Mafialokals seine Fäden. Die TV-Serie „Lilyhammer“ ist mit der Ausnahme Van Zandt mit den „Sopranos“ nicht personell verbunden. Dennoch wirkt es, als wäre Silvio Dante wieder da, als basiere die Serie auf Überlegungen, was aus Silvio geworden sein könnte.

Die norwegisch-amerikanische Koproduktion ist die erste, die der Onlinevideoanbieter Netflix selbst in Auftrag gegeben hat. Es ist also auch ein Zeichen für einen Zeitenwandel: Nicht mehr nur die großen Fernsehstationen wie HBO, CBS, Fox oder NBC wagen sich an hochwertige Fernseheigenproduktionen. Eine zweite Staffel ist schon in Arbeit, Van Zandt wird in Bruce Springsteens E Street Band vorübergehend ersetzt, schließlich ist der 62-Jährige nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch als Autor und Produzent an „Lilyhammer“ beteiligt.

Zu Beginn bezieht „Lilyhammer“ ihren Reiz aus dem hochkomischen Kulturschock. Auf Frank warten ein Elektroauto anstelle der standesgemäßen Limousine, ein Kursus für Immigranten und – eine Schikane seines Betreuers – einer für Arbeitsuchende.

Nach und nach aber entwickelt sich aus der Farce eine zeitgemäße Gangsterserie. Frank eröffnet mithilfe eines Strohmanns eine Bar und steigt ins Immobiliengeschäft ein. Eine gewagte Gratwanderung des Autorenteams: Frank wird als Sympathiefigur eingeführt und bleibt doch ein ziemlich übler Strolch.