berliner szenen Heilig’s Märktle 3

Prenzlauer Subaquatik

Die Wochen vor Weihnachten sind wie Leben unter Wasser: Bleich wie Fischbäuche leuchten die Gesichter, nackte Bäume ragen wie Korallenäste in den Himmel. Auf der Kastanienallee sehen die Passanten aus, als paddelten sie verzweifelt gegen eine Strömung an. Auch ich stemme mich tapfer gegen den Wind und den Sog des Jahresendes.

Auf der Höhe Oderberger Straße gebe ich auf und beschließe, mich treiben zu lassen. Eine Gruppe fröhlicher Wollmützenträger spült mich mit ins alte Stadtbad. Am Kassenhäuschen des Weihnachtsmarkts „3x33“ verspricht ein Plakat „Schoppen Schnacken Schillen“. Ich folge der Gruppe hinab ins Schwimmbecken und schiebe mich einmal im Karree vorbei an Ständen mit Schallplatten, Taschen aus Lkw-Planen und Perlenschmuck. Soulmusik plätschert – fasziniert betrachte ich, wie die Turnschuhe meines Vordermanns im Rhythmus über den fußballgrünen Bodenbelag schaffeln.

Ich lasse mich träge aus dem Becken heraus- und an der Balustrade entlangschieben. Die feilgebotenen Waren werden zunehmend absurder: Engel aus Basaltholz, Handschmeichler, Fernsehtürme aus Frottee mit aufgeklebten Augen, alles zwischen 3 und 33 Euro. Am Massagestand kommt die Besucherkarawane zum Stillstand. Ich recke den Hals und sehe meine Bekannte S. auf einem Stuhl sitzen, eine Masseurin drückt unendlich langsam mit der flachen Hand zwischen ihre Schulterblätter. S. lächelt und hebt den Arm wie eine müde Synchronschwimmerin. Ich dränge gegen den Strom zum Ausgang und remple dabei ein Pärchen an, das ein Kissen mit dem Aufdruck „Schlafagent“ befühlt. Draußen auf der Straße freue ich mich über den Gegenwind und auf das baldige Ende der Unterwasserzeit. NINA APIN