Die Rolle rückwärts auf dem Dorf

Europas Agrarminister wollen weniger Geld auf dem Land verteilen als bisher

BERLIN taz ■ „Künftig findet in den Dörfern niemand mehr einen Job“, ärgert sich der grüne Europaparlamentarier Friedrich Graefe zu Baringdorf. Baringdorfs Argument: Es gibt kaum noch Geld, um Ökobauern, Metzger oder Handwerker auf dem Land zu fördern. Die 25 Staats- und Regierungschefs der europäischen Länder haben sich am Wochenende geeinigt, die Ausgaben für die Wirtschaftsentwicklung in bäuerlichen Gegenden zu kürzen.

„Das Ergebnis ist niederschmetternd“, sagt Lutz Ribbe von der Umweltstiftung Euronatur. Die ländliche Wirtschaftsförderung „geht ein“. Derzeit wird von der EU gefördert, wer etwa einen Hofladen betreibt, eine Käserei besitzt oder Urlaub auf dem Bauernhof anbietet. Auch wer seine Kühe artgerecht hält oder Wiesen mit Obstbäume bepflanzt, wird finanziell unterstützt. Zwar schafft derlei nicht immer neue Arbeitsplätze. In jedem Fall aber sichern die ländlichen Unternehmensgründer Existenzen. So flossen im letzten Jahr rund 1,5 Milliarden Euro aus Brüssel nach Deutschland. „Nach den jetzigen Beschlüssen bleiben davon allenfalls noch 70 Prozent übrig“, schätzt Ribbe.

Europaweit sollen von 2006 bis 2013 knapp 70 Milliarden Euro für die ländliche Wirtschaftsförderung ausgegeben werden. Gut die Hälfte ist davon für die neuen Mitgliedstaaten sowie die Beitrittskandidaten Bulgarien und Rumänien reserviert. Zudem sicherte sich das kleine Österreich – dank strikter Verhandlung – allein 1,35 Milliarden Euro. Angela Merkel habe auf das Geld für die Regionen „offenbar keinen Wert gelegt“, kritisiert Reinhild Benning vom BUND. Zumindest forderte die Bundeskanzlerin nicht mehr Mittel für die Entwicklung der ländlichen Räume.

Dabei sei genug Geld da, sagt Graefe zu Baringdorf. „Man muss nur die klassischen Direktzahlungen an die Bauern umschichten.“ Tatsächlich päppelt die EU die Landwirte auf – mit Beihilfen. Für die nächsten sechs Jahre sind 293 Milliarden Euro veranschlagt. Von dem Batzen profitieren besonders jene, die Rinder halten oder Getreide ernten. Ob ein Bauer Arbeitsplätze schafft oder umweltfreundlich ackert, spielt dabei keine Rolle. Von den Subventionen profitieren vor allem die großen Landbesitzer. Die englische Queen kassierte im vorigen Jahr zum Beispiel 1,1 Millionen Euro, ihr Sohn Charles 435.000 Euro. Dieses System will die EU aber erst 2008 überprüfen. HANNA GERSMANN