Der gewendete Partisan

Aufgesprungen ist Ladislav Niznansky gestern nicht, als ihn das Münchner Schwurgericht freisprach vom Vorwurf des Mordes. Mit 88 Jahren tut man keinen Freudensprung mehr. Niznansky ist ein Greis, klein, mit vielen Falten, wässrigen Augen und leiser, brüchiger Stimme. Der aber sein nüchternes Selbstbewusstsein nicht verloren hat: Erwartet habe er das Urteil, sagt er den Beobachtern nachher, stets habe er gehofft, dass ihm Gerechtigkeit widerfahre. Auch als ihn seine Frau umarmt – seit 52 Jahren ist er mit ihr verheiratet –, ist wenig zu spüren an Gefühlsregung, nur einen Satz erlaubt er sich: „Es waren zwei Jahre seelischer Tortur.“

2004 wurde er verhaftet. 15 Monate lang versuchte das Gericht zu ermitteln, was Niznansky im Zweiten Weltkrieg verbrochen hat. Zu Beginn war der gebürtige Slowake Widerstandskämpfer, gegen Ende des Krieges stand er auf der Seite der Deutschen und jagte als Mitglied der „Abwehrgruppe 218 Edelweiß“ Partisanen, zu denen er selbst einst gehörte.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass es nicht nur slowakische Partisanen waren, die die Wehrmachtstruppe bekämpfte. Die Anklage hält Niznansky des gemeinschaftlichen Mordes in 164 Fällen für schuldig, auf lebenslange Haft hatte Staatsanwalt Konrad Kuchenbauer plädiert. Im Januar und Februar 1945 habe er mit „erbarmungsloser Brutalität“ die Ermordung von 146 Dorfbewohnern und 18 jüdischen Flüchtlingen befohlen. Das Gericht sah das anders. „Der Angeklagte hat keine Erschießungen vorgenommen, es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er den Befehl dazu gegeben hat“, fasste Richter Manfred Götzl zusammen. Niznanskys Eingaben seien nicht zu widerlegen gewesen, die Tatabläufe nicht rekonstruierbar und die Zeugenaussagen in Kernbereichen widersprüchlich.

Bereits 1962 war Niznansky von einem Gericht in der Tschechoslowakei wegen der Massaker in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Auf dieses Verfahren und viele der damaligen Zeugenaussagen stützte sich die Anklage. In den Augen des Gerichts kein ausreichendes Fundament für eine Verurteilung: Bei Aktendurchsicht bekomme man „an der Unabhängigkeit durchaus Zweifel“.

Nach dem Krieg arbeitete Niznansky zunächst als Spion – für die Tschechen und die Amerikaner. Später wechselte er zum US-Propagandasender Radio Free Europe. Eine internationale Karriere, die man ihm übrigens immer noch anmerkt: Nicht nur Interviews führt er auf Slowakisch und Deutsch, auch der Dank war weithin verständlich: „Last, but not least bedanke ich mich bei all meinen Freunden, die keine Zweifel an meiner Unschuld hatten.“

MAX HÄGLER