Vorwurf: Beihilfe zum Mord

AUSCHWITZ Gegen 50 noch lebende KZ-Aufseher wird ein Verfahren eingeleitet. Urteil auch ohne konkreten Mordbeweis möglich. Ermittlungen gegen Wächter anderer Lager folgen

BERLIN taz/afp | Deutsche Fahnder sind einer größeren Zahl bisher unbelangter mutmaßlicher NS-Täter auf der Spur. In den kommenden Wochen will die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg zunächst Vorermittlungen gegen 50 frühere KZ-Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau einleiten. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Mord. Darüber hinaus soll auch gegen Wächter aller anderen Vernichtungslager ermittelt werden.

Der Zentralstelle lägen derzeit die Namen und Angaben zu den Wohnorten der genau 50 Tatverdächtigen vor, bestätigte der Behördenleiter, der leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, der taz. Die Verdächtigen lebten über ganz Deutschland verteilt und seien heute um die 90 Jahre alt.

Die Ludwigsburger Zentrale Stelle wird seit 1958 von den Bundesländern unterhalten. Sie hat seither insgesamt 7.485 Vorermittlungsverfahren geführt.

Die neuen Verfahren sind erst durch das Urteil gegen den ukrainischstämmigen John Demjanjuk möglich geworden. Demjanjuk war im Jahr 2011 einzig aufgrund seiner Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibor wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Seither sei es möglich, NS-Täter auch dann zu verurteilen, wenn keine konkreten Mordbeweise vorlägen, sagte Schrimm.

Nach dem Ermittlungserfolg gegen ehemalige SS-Aufseher in Auschwitz wollen die Fahnder der Zentralstelle auch weitere mutmaßliche NS-Verbrecher dingfest machen.

„Das ist der Anfang, nicht das Ende“, kündigte Kurt Schrimm gegenüber der taz an. Die Ermittler planen nach Aussage Schrimms, für sämtliche NS-Vernichtungslager zu untersuchen, ob ehemalige Aufseher noch am Leben sind. Auch ihnen droht dann ein Verfahren wegen Beihilfe zum Mord.

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