Solidarisches Fahren wird teurer

Studierende kämpfen um das Überleben der günstigen Nahverkehrs-Tickets: In Münster wurde das Ticket nur knapp vor dem Aus gerettet. Fahrpreiserhöhungen treffen Solitickets besonders hart

VON MORITZ SCHRÖDER

Studierende in Münster können weiter günstig Bus und Bahn fahren: Nach wochenlangen Auseinandersetzungen zwischen den Studierenden und den Verkehrsbetrieben wurde das so genannte Semesterticket am Montagabend vom Studierendenparlament (StuPa) bestätigt – zwei Tage vor Ablauf der Frist. Vorher musste erst ein Schlichterspruch her, um beim Ticketpreis einen Kompromiss zu finden. Für das Semesterticket zahlen Studierende pauschal einen Geldbetrag und können das komplette Semester mit einer Fahrkarte umsonst in ihrem Verkehrsverbund fahren. SchülerInnen und Studierende müssen dieses Jahr mit besonders drastischen Fahrpreiserhöhungen rechnen.

In Münster gibt es das verbilligte Ticket für Studierende seit 1992. „Wir wollen das Studententicket auch weiterhin erhalten“, sagt Jochen Hesping, Vorsitzender des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Universität Münster. Doch die Verkehrsgemeinschaft Münsterland (VGM) machte den Studierenden die Entscheidung schwer: Rund 86 Euro pro Semester verlangte sie ursprünglich. Ein Schlichterspruch sieht nun 51,85 Euro vor. Das wären gut zwei Euro mehr für jeden Studierenden. Zum nächsten Wintersemester soll der Preis sogar auf 54 Euro angehoben werden. Hesping fürchtet eine „Preisspirale nach oben“. Die Grenze, an der Einzeltickets günstiger seien als das Semesterticket, sei längst erreicht. Die Stadtwerke Münster schieben die Schuld auf das Land. Die Zuschüsse werden seit 2004 jedes Jahr um vier Prozent gekürzt. Außerdem seien die Kosten höher geworden, seit es die günstigen Halbjahrestickets gibt, sagt Angela Schilde von den Stadtwerken Münster. „Mit den günstigeren Tickets wurden Bus und Bahn auch mehr genutzt“, so Schilde.

Auch in anderen Landesregionen müssen sich Studierende mit steigenden Fahrkartenpreisen abfinden. In Aachen ist das Semesterticket dieses Jahr um 6,10 Euro teurer geworden. „Die massiven Preissteigerungen der Deutschen Bahn machen sich bei den Studententickets bemerkbar“, sagt Daniel George, Vorsitzender des AStA der RWTH Aachen. 75,90 Euro zahlen die Studierenden für ihre Fahrkarte, mit der sie nicht nur in Aachen und Umgebung, sondern auch nach Köln und Düsseldorf fahren können.In Siegen zahlten die Studis vor elf Jahren 40,90 Euro für das Ticket, so AStA-Sprecher Michael Mönnich. Heute zahlt jeder Studierende 63,20 Euro im Semester.

Auch im Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR), dem größten Verbund des Landes, ist Ähnliches zu befürchten. Der Bochumer AStA-Vorsitzende Kolija Schmidt hat sich mit den steigenden Preisen abgefunden: „Billiger wird es halt nicht, wenn der Spritpreis für die Betriebe steigt.“ Für Einzeltickets würde er rund vier Mal mehr bezahlen, als die 79,95 Euro für die VRR-Semesterfahrkarte.

Im VRR zahlen im nächsten Jahr außer den Studierenden auch SchülerInnen und Personen ab 60 Jahren mehr für die Bahn- und Busfahrt. Für sie gibt es das Schokoticket und das Bärenticket. Beide sollen 2006 etwa vier Prozent mehr kosten als zuvor.

Das Land fördert die vergünstigten Tickets pro Jahr bisher mit 190 Millionen Euro. Davon gehen 30 Millionen Euro an die Semestertickets der Verkehrsbetriebe. Somit fließt die Hälfte der Mehrkosten an die Unternehmen zurück. Wer zu den Glücklichen gehört und günstiger fahren darf, zahlt in Münster dadurch nur die Hälfte im Vergleich zu einer Monatskarte. Dass die Zuschüsse sinken, wurde mit dem so genannten Koch-Steinbrück-Papier beschlossen, das letztes Jahr verabschiedet wurde. Nach den Planungen des hessischen und des damaligen NRW-Ministerpräsidenten sollen Subventionen und Finanzhilfen in verschiedenen Bereichen gesenkt werden.