Arbeitslose zum Spargel befohlen

Schwarz-Rot saniert den Arbeitsmarkt per Gastarbeiterquote. Kommende Spargelsaison dürfen nur 90 Prozent der Erntehelfer aus Polen kommen. 10 Prozent sollen Arbeitslose sein. Arbeitsagentur trainiert die Spargelstecher, Bauern bangen um Ernte

AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN

Die Spargelsaison beginnt erst Mitte April, die Erdbeersaison noch später. Doch ab jetzt müssen die Spargel- und Erdbeerbauern ihre Anträge an die Arbeitsagenturen stellen, wollen sie pünktlich zur Ernte über Erntehelfer verfügen. Für 2006 und 2007 hat Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) nun gestern „Eckpunkte“ durchs Kabinett gebracht, die den Anteil inländischer gegenüber den polnischen und anderen osteuropäischen Erntehelfern anheben sollen.

Statt bisher 68 werden künftig 80 Prozent der Anträge auf polnische Erntehelfer gleich durchgewunken. Für alle weiteren Anträge gilt: Erst wird geprüft, ob nicht inländische Arbeitslose vermittelt werden können. Und es werden – das ist neu – nicht mehr als 90 Prozent der Polen (oder anderer Osteuropäer) zugelassen, die der Landwirt 2005 beschäftigt hat. Auf diese Weise sollen mindestens 10 Prozent, also 32.000 der 2005 benötigten 325.000 Erntehelfer in der nächsten Saison vom inländischen Jobvermittlungsmarkt kommen.

Dieser „Deckel“ von 90 Prozent werde wahrscheinlich dazu führen, dass im kommenden Jahr Spargel und Erdbeeren auf den Feldern blieben, erklärte gestern der Deutsche Bauernverband (DBV). „Die Praxis hat doch gezeigt, dass die Arbeitsagenturen keine geeigneten deutschen Erntehelfer finden“, sagte der DBV-Sozialreferent Burkhard Möller. Offenbar sollten die Landwirte im Zweifel auf Arbeitskräfte verzichten. Überhaupt gebe es keine Regelung für Bauern, die ihre Produktion erhöhen wollten.

Auch die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin und niedersächsische Landwirtin Brigitte Pothmer kritisierte die Regelung harsch. „Hier wird so getan, als wäre Saisonarbeit irgendwelche Dullyarbeit, das könne doch jeder – aber das stimmt nicht.“

Die jährlich wiederkehrende Debatte über „Arbeitslose in den Spargel“ beziehungsweise „in die Erdbeeren“ verkenne grundsätzlich, wie körperlich schwer und komplex die Feldarbeit sei. Daher seien in den vergangenen Jahren alle Versuche, Arbeitslose kurzfristig aufs Feld zu schicken, gescheitert: Zu viele hätten sich nach wenigen Tagen krankgemeldet.

Schon möglich, erklärt die Gewerkschaft IG Bau, mit der Müntefering die Eckpunkte abgesprochen hat. Doch habe es etwa 1990 auch bloß 12.000 Saisonarbeiter aus dem Ausland gegeben. So stark angestiegen sei der Bedarf überhaupt erst, weil dann die Grenzen nach Osten aufgingen und Polen günstig beschäftigt werden konnten. „Wir sagen: Hätten wir wieder 7- oder 8-Euro-Stundenlöhne, würden sich auch wieder inländische Erntehelfer finden“, sagt IG-Bau-Vize Hajo Wilms. Gegenwärtig werden rund 5 Euro die Stunde bezahlt.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wird nun an die Arbeitsagenturen Leitfäden schicken, wie Arbeitssuchende vor Ort auf die rund sechswöchige Feldarbeitsaison vorbereitet und dafür trainiert werden können. BA-Sprecher Ulrich Waschki will den Eindruck vermeiden, dass „das den Arbeitsmarkt nun rettet“ – doch sei die Maßnahme eben ein „wichtiger Mosaikstein“.