: Der treue Kunde
von ULRIKE HERRMANN
Für die privaten Stromkunden war es bisher einfach: Ihre Preise blieben 2005 weitgehend gleich. Wer hingegen Gas verbraucht, musste diverse Preisschocks verkraften. Viele Versorger erhöhten ihre Gaspreise innerhalb von einem Jahr gleich dreimal. Doch ab Neujahr wird es auch die Stromkunden erwischen; die meisten Anbieter haben bei den Landesministerien steigende Preise beantragt (siehe unten).
Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) hat „noch keine Prognose“, wie hoch die Preiserhöhungen konkret ausfallen werden: „Das handeln die Versorger einzeln mit ihren Behörden aus.“ Der VDEW kann allerdings die Preisentwicklung der Vergangenheit sehr genau beschreiben. Basis ist der „Drei-Personen-Musterhaushalt“, der der Norm entspricht und also „keine Stromheizung hat“. Diese normierte 3-Personen-Gruppe verbraucht im Jahr 3.500 Kilowattstunden. Dafür zahlte sie 2005 monatlich 54,43 Euro, 1999 waren es nur 48,20 Euro (siehe Grafik).
Auf steigende Ölpreise reagieren die Verbraucher sofort – sie fahren weniger Auto; ihre „Benzinwut“ wird zum Medienthema. Mit einer vergleichbaren Stromwut rechnet niemand in der Branche. Der Stromkunde gilt als phlegmatisch. Nüchtern stellt Gero Lücking vom alternativen Anbieter Lichtblick fest, dass der „Stromverbrauch seit Jahren konstant bleibt“, obwohl die Preise steigen. Allerdings sind die Kunden nicht völlig sorglos; sie achten schon auf Effizienz, wie der VDEW beobachtet hat: „Es gibt immer mehr Elektrogeräte, aber der Verbrauch nimmt kaum zu.“
Zu diesem stagnierenden Markt gehört auch, dass die Kunden meist treu sind. Seit 1998 ist der Markt offiziell liberalisiert – doch nur ein Viertel aller Verbraucher hat seither den Vertrag verändert. Die meisten blieben bei ihrem alten Versorger. „Es wurde nur ein günstigerer Tarif ausgehandelt“, hat der VDEW ermittelt. „Zu einem neuen Anbieter sind höchstens 5 Prozent der Kunden gewechselt.“
Dennoch ist Lücking von Lichtblick zufrieden; allein im November konnte der alternative Anbieter 6.000 neue Kunden gewinnen. Insgesamt sind es nun mehr als 180.000. Sie alle werden ab 2006 damit konfrontiert, dass der Lichtblick-Preis um vier Prozent steigt.
Als besonders günstig empfehlen viele Internet-Ratgeber die Berliner FlexStrom. Doch Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher rät ab: „Die haben eine strukturelle Unterdeckung.“ Sprich: Sie sind zu billig. Diese Verluste würden dann mit dem „Geld von Neukunden“ kompensiert. „Das bringt den ganzen Strommarkt in Verruf.“
Insgesamt gibt es bundesweit rund 1.000 Stromanbieter, meldet der VDEW. „Es ist leichter, in diesem Land seinen Stromanbieter zu wechseln als seine Bank“, betont man stolz. Ein Problem bleibt jedoch: Die Stromanbieter können ihre Preise nicht beliebig gestalten, das erklärt auch die manchmal ruinösen Konkurrenzmethoden. So machen die Steuern und staatlichen Abgaben bereits „rund 40 Prozent“ des Strompreises aus, hat der VDEW errechnet. Dazu gehören nicht nur die Öko- und die Mehrwertsteuer, sondern auch die „Konzessionsabgabe“, die Landkreise und Kommunen erheben dürfen.
Ein weiterer großer Posten sind die „Netzentgelte“, die ebenfalls mit knapp 40 Prozent in die Preise eingehen. Ein Ärgernis für alle kleinen Stromanbieter: Die Netze gehören weitgehend den vier großen Konzernen RWE, ENbW, Eon und Vattenfall. „18 Milliarden Euro haben die kassiert“, ärgert sich Peters, „aber in die Netze investiert haben sie nur 2 Milliarden.“
Und schließlich haben die meisten Stromanbieter auch wenig Einfluss darauf, zu welchem Preis sie selbst den Strom beschaffen müssen. Er wird an der Leipziger Strombörse EEX ausgehandelt. 2004 kostete eine Kilowattstunde Grundlaststrom 3,282 Cent für das Jahr 2005; Ende November lagen jetzt die Preise für 2006 bei 4,785 Cent. Das ist ein Plus von fast 50 Prozent. Gewinner sind erneut: die vier Großkonzerne, denn ihnen gehören etwa 90 Prozent aller Kraftwerke.
Lichtblick sieht denn auch nur eine Chance, um die Großkonzerne bei den Kunden auszustechen: „Wir haben nicht so einen Verwaltungswasserkopf wie die Etablierten.“
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