„Das ist eine Enthauptung“

Die Kürzung der Landeszuschüsse für den Flüchtlingsrat NRW bedeutet die Abschaffung, sagt die Geschäftsführerin Andrea Genten: „Das ist ein klares politisches Signal“

taz: Frau Genten, haben Sie damit gerechnet, dass Ihnen die neue Landesregierung den Geldhahn zudreht?

Andrea Genten: Dass in allen Bereichen 20 bis 30 Prozent gekürzt werden soll, war klar. Wir hatten auch befürchtet, dass Schwarz-Gelb in der Flüchtlingsarbeit neue Schwerpunkte setzen wird. Dass man uns die komplette Förderung streicht, hat mich dann aber doch sehr überrascht.

Ist es angesichts der Haushaltslage nicht gerechtigt, dass auch die Flüchtlingsarbeit einsparen muss?

Ich kann schon verstehen, dass wir über die Reduzierung von Stellen nachdenken müssen. Aber das ist etwas anderes als die komplette Zerstörung unserer Dachorganisation. Das ist ein klares politisches Signal.

In welche Richtung?

Die Beratung von Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen wird zurückgefahren. Stattdessen wird die Rückkehrförderung gestärkt. Was übrigens keine Erfindung der neuen Regierung unter Schwarz-Gelb ist: Noch unter dem ehemaligen SPD-geführten Innenministerium sind mehrere Rückkehrberatungsstellen eingerichtet worden. Den Flüchtlingen wird signalisiert: Wir wollen euch raushaben. Dabei sinkt die Zahl der Asylbewerber permanent.

Genau mit diesem Argument rechtfertigt das Innenministerium die hohen Sparvorhaben im Flüchtlingsbereich.

Dass bei den Aufnahmestellen gekürzt wird, ist noch nachzuvollziehen. In den anderen Bereichen gibt es aber klare Umverteilungen, die Landesregierung kürzt ja nicht nach dem Rasenmäherprinzip. Es geht mehr Geld in die Rückkehrberatung und die psychosoziale Betreuung. Dafür werden in der offenen Beratung Mittel gekürzt – dort, wo Flüchtlinge sich beraten lassen können, wie sie im Land bleiben können. Und was die mit uns als Flüchtlingsorganisation vorhaben, ist eine Enthauptung.

Das Innenministerium sagt aber, es wolle lieber bei der Verwaltung als in der konkreten Beratung kürzen.

Wir sind doch keine Verwaltung, damit macht es sich das Innenministerium zu einfach. Wir schulen die vielen Ehrenamtlichen in unseren Beratungsstellen und versorgen sie mit Informationen. Wir koordinieren die gesamte Flüchtlingsarbeit in Nordrhein-Westfalen und arbeiten auch mit den entsprechenden Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände zusammen. Warum die Landesregierung uns aber abschaffen will, hat einen anderen Grund: Wir sind unbequem, weil wir immer den Finger in die Wunde legen. Bei der knappen Besetzung in den regionalen Beratungsstellen wird dem Personal keine Zeit mehr bleiben, sich politisch für ein Bleiberecht oder gegen brutale Abschiebungen einzusetzen.

Welche weiteren Schritte haben Sie jetzt geplant?

Wir versuchen im Moment politischem Druck zu machen, um unsere Strukturen zu retten. Wir haben bereits Gespräche mit den innenpolitischen SprecherInnen der Fraktionen der Grünen und SPD im Landtag geführt. Diese haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Im Januar wollen wir außerdem mit der FDP-Fraktion sprechen. Unsere akuten finanziellen Probleme werden die Gespräche aber wohl nicht beheben können.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN