Klagewelle wegen Hartz

Der Präsident des Landessozialgerichts Essen fordert 23 zusätzliche Richterstellen. 14.000 Klagen anhängig

DÜSSELDORF dpa ■ Ein Jahr nach der Einführung von Hartz IV rollt eine gewaltige Klagewelle auf die nordrhein-westfälischen Sozialgerichte zu. Die Zahl der Gerichtsverfahren im Bereich der früheren Arbeitslosen- und Sozialhilfe liege in diesem Jahr um 300 Prozent über den Erwartungen, sagte der Präsident des Landessozialgerichts Essen, Jürgen Brand, der Neuen Rhein Zeitung/Neuen Ruhr Zeitung. Statt der kalkulierten 5.000 Fälle seien seit Januar 2005 bei den acht Sozialgerichten des Landes inzwischen über 14.000 Klagen anhängig. Nach einer Statistik der Sozialgerichte betreffen davon 8000 Verfahren das Arbeitslosengeld II.

Da Brand für 2006 nochmals einen deutlichen Anstieg erwarte, habe er beim NRW-Justizministerium 23 zusätzliche Richterstellen beantragt. Um die geschätzten Zusatzkosten von jährlich rund 2,5 Millionen Euro zu reduzieren, sei aber auch denkbar, Richter aus anderen Bereichen an die Sozialgerichte zu schicken, so Brand. Ein Stellenzuwachs ist bei den Sparplänen der Landesregierung derzeit nicht denkbar. NRW-Justizministerin Roswitha Müller- Piepenkötter (CDU) habe den Präsidenten des Sozialgerichtes Essen allerdings am 5. Januar zum Gespräch geladen, sagte gestern ein Behördensprecher.

Derzeit beträgt die Bearbeitungsdauer der Klagen sieben bis zwölf Monate. Die meisten Klagen beziehen sich auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf das Arbeitslosengeld II. Klagewillige Arbeitslose lassen sich häufig von Verbänden wie dem Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen vor Gericht vertreten – denen sie dafür beitreten müssen. „Unsere Mitgliederzahlen nehmen zu, vor allem wegen Hartz IV“, sagte Paul Plank, Justiziar beim VdK. Und: „Wir gewinnen ungefähr die Hälfte der Verhandlungen.“ Allerdings reiche der VdK nur Klage ein, wenn er die Erfolgsaussichten als gut einschätzt.