Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Napoléon“ 26. 12. im Arsenal 2

Bereits in seinem Debütfilm zeigt sich René Clair als Meister der stilvollen Komödie: In „Paris qui dort“ (1923) fantasiert der französische Regisseur vom Stillstand der Seine-Metropole, in der alle Menschen plötzlich in ihrer augenblicklichen Bewegung erstarren. Doch es gibt auch Ausnahmen wie den Nachtwächter vom Eiffelturm, der vom mysteriösen Schlaf ebenso wenig betroffen ist wie eine Gruppe von Flugreisenden. Nach anfänglicher Verwirrung fallen bei den letzten agilen Menschen schnell alle Hemmungen: Der Champagner fließt in Strömen, man plündert die Nationalbank und nimmt im Vorübergehen auch noch die Mona Lisa mit. Doch schon bald weicht die Euphorie dem Streit und der Langeweile – man möchte zum „normalen“ Leben zurück. Neben einer Vielzahl amüsanter Gags, die Clairs Liebe zur frühen Burleske bezeugen, sind es vor allem die Aufnahmen vom leeren, „schlafenden“ Paris mit dem so ungewohnten Rhythmus, die an diesem mit wenig Geld gedrehten Debüt noch immer faszinieren.

„Tokyo Godfathers“ (OmU) 22.–28. 12. im Kino in der Brotfabrik

Regisseur William Wyler bittet Charlton Heston und Stephen Boyd bei den Dreharbeiten zu „Ben Hur“ um die 20. Wiederholung der Szene 65a: „Ein glühender Julitag. Italiens Sonne brannte auf die zwei Männer mit flammender Gewalt herab. Sie standen im Atrium einer kostbaren römischen Villa und sprachen miteinander, leise am Anfang, dann mit erhobener Stimme in einem schrillen Crescendo. Der harte Dialog bricht ab, und ein kleiner untersetzter Mann, der mit höchster Aufmerksamkeit gelauscht hatte, sagte: ‚Bitte noch einmal.‘“ (aus einer Werbeveröffentlichung der MGM, 1959). Der Rest ist: ziemlich monumental.

Ebenfalls groß: „Napoléon“ von Abel Gance, ein bonapartistischer Avantgardefilm aus dem Jahr 1927. Hier fliegen Kameras wie Schneebälle durch die Luft (Napoléon als kindlicher Stratege) und sausen mit dem Fallbeil der Guillotine in die Tiefe (Spätphase der Französischen Revolution). Überdies beeindruckt die Verwendung der Polyvision, eines frühen Breitwand-Experiments, das wahlweise gewaltige Panoramen schafft (Napoléons Italienfeldzug) oder das Bild der mittleren Leinwand durch die Seitenflügel kommentiert.

„Ben Hur“ (OmU) 22./23./25.–27. 12. im Nickelodeon

Abschließend noch ein Film zum Fest: Der für seine komplexen Zeichentrickfilme bekannte japanische Regisseur Satoshi Kon orientiert sich in „Tokyo Godfathers“ (2003) locker an John Fords Weihnachtswestern „Three Godfathers“ (und nicht zu vergessen an Wylers „Hell’s Heroes“) und erzählt eine Geschichte von drei Obdachlosen, die am Weihnachtsabend ein Baby im Müll finden und sich auf die Suche nach den Eltern machen. Die Reise durch die grandiose, detailreich gezeichnete Kulisse der nächtlichen Großstadt mit ihrer für die Obdachlosen harschen Realität konfrontiert die Suchenden vor allem mit ihrer eigenen Vergangenheit: Am Ende ist nicht nur das Kind wieder bei seinen richtigen Eltern, die Protagonisten erleben auch jeder für sich eine eigene kleine (und gar nicht kitschige) Familienzusammenführung. LARS PENNING

„Paris qui dort“ 25. 12. im Arsenal 2