Zeuge in Terrorprozess soll in der Türkei gefoltert haben

RECHT Pro Asyl prangert an, dass ein Polizist aus Istanbul vor einem Gericht in Stuttgart aussagt

STUTTGART taz | Dürfen deutsche Gerichte Aussagen von Polizisten aus Staaten verwerten, in denen die Sicherheitskräfte foltern? Vor dieser Frage steht momentan das Stuttgarter Oberlandesgericht. Es geht um ein Verfahren gegen zwei Männer aus der Türkei, Devrim G. (36) und Ahmet Düzgün Y. (47), denen die Bundesanwaltschaft vorwirft, mit der türkischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) eine terroristische Organisation im Ausland zu unterstützen. Sie hat sich nach Angaben des Oberlandesgerichts in der Türkei zu Morden und Anschlägen bekannt und soll auch Selbstmordattentäter eingesetzt haben.

Momentan sagt dabei zum zweiten Mal nach 2008 Cengiz B. aus, der 36-jährige Leiter einer Terrorismusabteilung des Polizeipräsidiums (PP) Istanbul. Damals kritisierten Anwälte, gegen den Polizisten seien in der Türkei zwei Strafverfahren wegen Folter anhängig. Elard Biskamp, Anwalt von Devrim G., sagte der taz, der türkische Polizist habe die Vorwürfe erwartungsgemäß „Lichtjahre von sich gewiesen“. Es sei auch kaum zu erwarten, dass ein Beamter ohne Not eingesteht, sich im Dienst strafbar gemacht zu haben.

Pro Asyl verweist darauf, dass politischen Flüchtlingen aus der Türkei in Deutschland auch heute noch Asyl zugesprochen wird, weil ihnen in ihrer Heimat Folter droht. Nachzulesen etwa in einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom April 2009: Darin heißt es, dass dank der Null-Toleranz-Politik der türkischen Regierung Folter in Polizeigewahrsam zwar seltener sei als früher. Dafür würden häufiger Methoden wie Scheinhinrichtungen oder Schlafentzug angewandt, damit keine körperlichen Spuren bleiben. Die Quellen sind Lageberichte des Auswärtigen Amtes. Der Anwalt von Devrim G. empörte sich gegenüber der taz darüber, dass die Chefanklägerin der Bundesanwaltschaft am Dienstag während der Verhandlung systematischen Schlafentzug nicht als Folter bezeichnen wollte.

Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin bei Pro Asyl, hat wenig Verständnis für die Anhörung des Zeugen: „Wenn man aus dem Ausland Akteure der Verfolgung einlädt, dann ist das Maß überschritten. Damit legitimiert man ein System der Folter.“ Die Sprecherin des Oberlandesgerichts, Josefine Köblitz, wehrt sich gegen diese Aussagen. Es sei zunächst Aufgabe des Gerichtes, sämtlich Zeugen anzuhören, bevor ein Urteil gefällt würde. Darin fließe natürlich auch die Glaubwürdigkeit von Aussagen ein. Man würde in anderen Verfahren auch keine Zeugen ausschließen, die etwa vorbestraft sind. „Wir führen hier ein rechtsstaatliches Verfahren“, sagt die Gerichtssprecherin. INGO ARZT