Sachsens NPD-Fraktion schrumpft

Erneut ist ein Landtagsabgeordneter der NPD aus Partei und Fraktion ausgetreten. Klaus Baier wendet sich wegen Zentralismus und „nationalsozialistischer Orientierung“ von der Partei ab

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Diesmal war die sächsische NPD-Landtagsfraktion auf ihrer Internetseite nicht so schnell. Als vor vier Tagen der Meißner Abgeordnete Mirko Schmidt austrat, hatten die Rechtsextremen prompt sein Gesicht aus dem Gruppenfoto der zwölfköpfigen Landtagsfraktion herausretuschiert. Gestern zeigte die Nationalen nur ein nichts sagendes Foto des Plenarsaals. Dabei hat nun auch Klaus Baier aus Annaberg Partei und Fraktion verlassen.

Ähnlich wie Schmidt begründet auch Baier seinen Austritt mit dem autoritären Führungsstil der Partei- und Fraktionsspitze, dem mangelnden sozialen Engagement und der nationalsozialistischen Orientierung der NPD. „Ich bin aber kein Überläufer!“, sagte Baier der taz. „Ich habe lediglich der NPD bzw. dem, was andere aus ihr gemacht haben, den Rücken gekehrt.“ Baier bestreitet mit dem Verfassungsschutz zusammenzuarbeiten. „Ich habe nur die Polizei um Schutz für mein Haus gebeten.“

Alrik Bauer, Sprecher des Verfassungsschutzes Sachsen, ist diesmal zurückhaltender als im Fall Schmidt. Er bestätigt, dass die Behörden sich lediglich „unter dem Aspekt seiner persönlichen Sicherheit“ um Baier gekümmert hätten. Er sei weder V-Mann noch am Aussteigerprogramm beteiligt gewesen. Der Sprecher tritt zudem Vorwürfen der NPD entgegen, der Geheimdienst habe sich unzulässig in die Parlamentsarbeit eingemischt. „Wir sind nie offensiv auf Abgeordnete zugegangen.“ Bauer hält weitere Auflösungserscheinungen der Landtagsfraktion für möglich. „Die NPD befindet sich in Sachsen extrem in der Defensive.“ Auch der Görlitzer Kreisvorsitzende Jürgen Krumpholz ist inzwischen ausgetreten.

NPD-Fraktionssprecher Holger Szymanski räumt ein, dass Baier als Wackelkandidat bekannt gewesen sei. Man habe aber nach Schmidts Austritt noch Treueversicherungen bekommen. Die Konfliktlinien in der NPD ließen sich nicht entlang der oft kolportierten Ost-West-Herkunftsgrenze ziehen. Tatsächlich stammen Vielredner wie Uwe Leichsenring oder Johannes Müller aus Sachsen.

Klaus Baier hatte allerdings schon früher von einem „linken Flügel“ innerhalb der Fraktion gesprochen. Der selbstständige Krankenpfleger fühlt sich „seinen Wählern und dem Volk mehr verpflichtet als der Partei“. Das heiße auch, dass in Sachsen Sachsen das Sagen haben müssten. Der Parteiaustritt sei „die wohl schwerste Entscheidung“ seines Lebens gewesen. Ob in dem von ihm gegründeten Kreisverband Annaberg weitere Mitglieder folgen oder sich eine neue Parteigliederung formiert, konnte er nicht sagen.

Indessen wird in der NPD-Landtagsfraktion der Verdacht geäußert, der am Wochenende ausgetretene Mirko Schmidt könne ein eingeschleustes U-Boot des Verfassungsschutzes sein. Der jetzt als Berliner Kanzleramtschef tätige frühere sächsische Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte vor Jahresfrist auf Anfrage geäußert, eventuelle V-Männer in der NPD wären spätestens mit der Annahme ihres Landtagsmandats „abgeschaltet“ worden.

In Dresden wären theoretisch neue Mehrheiten möglich, wenn die beiden NPD-Aussteiger zur CDU übertreten würden. CDU und FDP fehlte 2004 nur ein Mandat für eine schwarz-gelbe Koalition. Nun regieren Christ- und Sozialdemokraten zusammen. Die CDU-Landtagsfraktion lehnt Spekulationen über die Aufnahme von NPD-Aussteigern ab. An der ablehnenden Haltung zur NPD und ihren ehemaligen Abgeordneten habe sich nichts geändert, hieß es aus Fraktionskreisen. Eine SPD-Sprecherin bezeichnete es als undenkbar, dass der Koalitionspartner „übergelaufene Nazis“ aufnehme.

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