All die schönen Rapper

IDEALE Was ist eigentlich Schönheit? Und wer bestimmt das? „Die 50 schönsten Rapper“ heißt eine Veranstaltung, die grundlegende Fragen zu Ästhetik, Stimmenvielfalt und Sexismus im HipHop aufwirft

Nachdem die Idee der „100 schönsten DJs“ vergangenen Herbst das Publikum im Festsaal Kreuzberg begeistert hat, sind diesmal „Die 50 schönsten Rapper“ dran. Mit Vergnügen und Muschi Kreuzberg präsentieren die Show, bei der alle 50 geladenen Rapper, darunter Marteria, Prinz Pi, Kitty Kat, Mach One, Wyn Davies und Megaloh, für einen ihrer Songs die Bühne betreten und dann gleich vom nächsten abgelöst werden. Es moderiert Dr. Staiger, der zwischendurch den ein oder anderen Beautytipps geben oder auch gleich selbst Hand anlegen wird. Das kann eine lange Nacht werden.

■ Die 50 schönsten Rapper: Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130, Freitag, 23.59 Uhr, 15/12 €

VON FATMA AYDEMIR

Was haben sich die Philosophen seit der Antike den Schädel über den Begriff „Schönheit“ zerbrochen! Dabei brachte der junge Kool Savas aka KKS am Anfang der nuller Jahre mit einer einzigen Zeile das gängigste Schönheitsideal des gesamten Genres kurz und knapp auf den Punkt: „Du kannst sagen, was du willst, doch es geht alles nur ums eine, dicke Titten, enge Muschi, Blaselippen, lange Beine.“

„Die 50 schönsten Rapper“ nennt sich eine Veranstaltung, bei der sich am Freitag die Charme-Elite der Szene auf der Bühne des Festsaals Kreuzberg versammeln soll. Zwangsläufig stellt sich die Frage, was einen schönen Rapper überhaupt ausmacht. Ist es die passende Wahl der Sneakers zum richtigen Shirt? Vielleicht die geölte Plastizität des nackten Oberkörpers? Oder doch die originellste Kopfbedeckung? Handfeste Klischees mögen in Modemagazinen platzfüllend und mal auch recht hilfreich sein, doch bei der ernsthaften Bewertung der 50 Künstler (von denen zumindest 42 auf dem Cover dieses Magazins abgebildet sind) tun sich tiefgreifendere Fragen auf. Da Schönheit nicht nur im Auge des Betrachters liegt, sondern ebenso im kulturellen Kontext verankert ist und jeweils unterschiedlichen Idealisierungen unterliegt, wäre nicht die gerechte Herangehensweise, vielleicht jenes Ideal anzuwenden, das die Rapper selbst produziert haben und fortwährend reproduzieren?

Im Rap erschließt sich größtenteils nur der männliche, heterosexuelle Blick auf Ästhetik und Sexualität

Pah! Das Paradebeispiel des oben genannten Zitats lässt sich aufgrund genitaler Beschränkungen gerade mal auf drei der Teilnehmer der „50 schönsten Rapper“ zuschreiben: Kitty Kat, Alice Dee und Pretty Paine. Es sind nämlich nur drei Frauen unter den 50 angekündigten Rappern. Und so wären wir beim eigentlichen Kernpunkt der Problematik angelangt.

Es ist nämlich nicht so, dass Rap generell Frauen verachtet, so wie es das Zitat von Kool Savas augenblicklich vermuten lässt. Ein Rapper ist eben in den meisten Fällen immer noch ein heterosexueller Mann. Und somit erschließt sich im Rap größtenteils nur der männliche, heterosexuelle Blick auf Ästhetik und Sexualität, und das aus einer Sprecherrolle heraus, die ihr soziales Kapital nicht nur aus größtmöglicher Potenz und der Annahme von gesellschaftlichen Männlichkeitskonstruktionen schlägt, sondern ebenso aus Provokation und einer Haltung, die sich gegen das Mainstreambewusstsein abgrenzt. Will heißen: Es ist nicht so gemeint und das Publikum, das mit Rap sozialisiert und in ebendiesem kulturellen Kontext verortet ist, weiß das auch. Vielmehr ist die eingeschränkte Perspektive das Problem, welches sich nur durch mehr Stimmenvielfalt beheben lässt. Und dahingehend ist die Tendenz tatsächlich steigend.

In New York etwa, der Mutterstadt von Disco und Voguing, aber auch Geburtsort der HipHop-Kultur, hat sich in den vergangenen Jahren eine Queer-Rap-Szene herausgebildet. KünstlerInnen wie die offen bisexuelle Azealia Banks, die mittlerweile auf Pariser Laufstegen rappt; Zebra Katz, der das Queere gerne und sehr schön über Bilder und Codes impliziert; oder Mykki Blanco, bei der/dem Gender-Grenzen gleich ganz offensichtlich verschwimmen – sie alle haben eine sehr eigenwillige musikalische und visuelle Sprache entwickelt, die das Rap-Genre sowohl ästhetisch ungemein bereichert als auch neue Zugangsweisen eröffnet, mit denen vor zehn Jahren wohl noch keiner gerechnet hat.

Wäre nicht die gerechte Herangehensweise, jenes Ideal anzuwenden, das die Rapper selbst produzieren?

Auch in Deutschland weitet sich der Blick durch eineN Rap-Quing (Zusammensetzung aus King und Queen) namens Sookee oder eine Lady Bitch Ray, die zu keinem Zeitpunkt versäumt, ihren akademischen Hintergrund als Linguistin zu erwähnen und bei deren offensiven Vagina- und Bitch-Shows man immer eine Kreuzung aus Lil Kim und Judith Butler vor Augen hat.

Wie schön das nun im Einzelnen ist, sei dahingestellt. Die Schönheit der Rapmusik bereichern diese neuen Stimmen aber allemal. So wie Gender eben nichts Statisches ist, so ist es auch die Schönheit nicht. Und das nicht nur in dem Sinne, dass sich Schönheitsideale fortwährend verändern, sondern weil es im postmodernen Denken schlicht gar keine Ideale mehr geben kann. All die schönen Rapper werden sich am Samstag erst als solche erweisen können, wenn sie die Bühne betreten, um einen Song zu performen. Denn Schönheit liegt im Performativen, in der Ergriffenheit, die vom Entschlüsseln des ästhetischen Codes ausgeht.