Die letzten Hirten

FILM Poetisch und erfrischend langsam: Die Doku „Sweetgrass“ besingt Schafe, Hirten und Natur

Eigentlich spielen weder die Hirten noch die Schafe oder die Natur, durch sie ziehen, allein die Hauptrolle. Überrascht waren Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash vielmehr von ihrer scheinbaren Vermischung und Verwandlung. Drei Jahre lang haben die Filmemacher und Anthropologen die letzten Hirten Montanas und ihre riesigen Schafsherden während der letzten Sommermonate auf ihrer Hunderte Kilometer langen Tour über die Wiesen der Beartooth-Berge begleitet. In ihrem Film „Sweetgrass“ erzählen sie kommentarlos und mit ebenso schönen wie schonungslosen Bildern vom Alltag der Schaf-Cowboys und dem Zauber und der Ambivalenz eines Lebens, das noch ganz auf der Verbundenheit von Mensch und Natur beruht.

Dabei ist die niemals sentimental werdende elegische Dokumentation nicht einfach ein Film über Schafe und ihre Hirten respektive Hirten und ihre Schafe. Eher eine meditative, entrückende Beschwörung des Verhältnisses von Mensch, Tier und Natur. Castaing-Taylor und Barbash verzichten dabei auf jegliche Didaktik und leitende Kommentare, im Grunde auf jede Dramatik und sogar Musik. Stattdessen gibt es lange Sequenzen, während denen man sich ganz von 3.000 blökenden Schafen, bellenden Hunden und dem über die weite Landschaft rauschenden Wind einnehmen und die eigenen Gedanken schweifen lassen kann.

Eine Richtung gibt „Sweetgrass“ dabei nicht vor. Weder Antworten geben Castaing-Taylor und Barbash, noch werfen sie überhaupt Fragen auf. Dafür verschwimmen spätestens nach zwei zivilisationsfernen Stunden auf den Wiesen Montanas die letzten Grenzen zwischen Mensch, Tier und Landschaft. Und man meint zu verstehen, was jenes Schaf einem sagt, das gerade mit großen Augen in die Kamera blickt. Und ist auf wundersame Weise verwandelt.ROBERT MATTHIES

■ Do, 21. 1., 20 Uhr, Lichtmess, Gaußstraße 25