Grüß Gott!

Der Norden glaubt weniger als der Süden. In manchen seiner Landstriche sind nur noch knapp 20 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Großkirche. An Heiligabend sind die Gotteshäuser trotzdem gerammelt voll. Lauter Menschen, die keine Ahnung haben, wann jetzt wie und wo zu knien, stehen, sitzen und zu beten ist. Vor allem der spektakuläre, weil streng codierte Ritus der Katholiken überfordert viele. Frustrierend. Die taz nord aber weiß Rat

Es ist Heiligabend, 24.12. Sie wollen in die Kirche gehen. Das tun Sie sonst nie. Aber Sissy kennen Sie schon, das Kino hat zu, die Kneipe auch. Sie haben Ansprüche an performances, Schülertheater ist Ihnen ein Graus. Also haben Sie sich für den Besuch einer Christmette in einer katholischen Gemeinde entschieden. Nur: Die streng choreografierte Messordnung, bei der es zu Interaktionen zwischen Gemeinde und Zelebrant kommt, ist Ihnen unbekannt. Sie fürchten, sich zu blamieren. Wie lässt sich das vermeiden? Die taz klärt ein paar Grundfragen.

Was ist eigentlich eine Christmette?

Die Mette (lat. matutina = Morgenstunde) ist in der christlichen Liturgie der nächtliche oder frühmorgendliche Gebets- und Lesegottesdienst. Sie ist also keine herkömmliche Messe mit Eucharistiefeier. Die Christmette allerdings bildet eine Ausnahme: Im Lauf der Zeit haben sich die Christmette und die erste Weihnachtsmesse des 25. einander angenähert, so dass die Eucharistiefeier heutzutage Bestandteil der Christmette sein kann.

Für Traditionalisten ist 0.00 Uhr der einzig reguläre Beginn für eine Christmette, da die Geburt Christi laut dem Evangelisten Lukas in die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember fällt. Noch frommer wäre ein Gottesdienst im Morgengrauen, wie er im Erzgebirge und in mittel- und süddeutschen Gemeinden bis heute praktiziert wird. Im Allgemeinen hat sich allerdings eingebürgert, die Christmetten am Abend des 24. zu feiern, wobei die katholische Kirche 22 Uhr als den frühest möglichen Zeitpunkt für den Beginn festgelegt hat. Eine Ausnahme bilden die nachmittäglichen Kinder-Christmetten, die die Kirche in ihrem Bemühen um frühzeitige Mitgliederbindung vermehrt anbietet.

Welche Kleidung sollte ich zur Christmette tragen?

Lodenmantel und Winterschuhe, da die katholischen Kirchen kaum bis gar nicht beheizt sind. Während des Gottesdienstes sind Handschuhe in jedem Fall abzunehmen, ebenso wie Kopfbedeckungen – wobei Damenhüte mitunter toleriert werden. Kleine Kleiderhaken befinden sich nicht selten unmittelbar an den Kirchenbänken. Wichtig: Der Gottesdienst-Besuch ist keine Modenschau. Es empfehlen sich dunkle, unaufdringliche Farben und gepflegte, aber dezente Kleidung.

Wie verhalte ichmich vor Beginn?

Zunächst einmal ruhig – auch wenn Sie einen Gruppenbesuch planen. Es wird als unagemessen empfunden, sich im Vorfeld der Zeremonie laut lachend und klönend im Foyer oder Hauptgang der Kirche aufzuhalten. Allerdings ist die Antwort nicht erschöpfend. Zunächst: Kurz hinter dem Eingang sind Wasserbecken angebracht. Diese nutzt der geübte Kirchgänger nicht, zum Händewaschen. Vielmehr stippt er kurz Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand in sie hinein, um sich danach kruziform die Stirne zu benetzen. Das gilt als segensreich – weil das Wasser in der Osternacht geweiht wurde. In manchen Gegenden ist es üblich, anschließend einige Tropfen auf den Boden zu spritzen, um sich an die eigene Sterblichkeit zu erinnern. Die Plätze im Hauptraum – dem so genannten Kirchenschiff – sind nicht nummeriert: Weil an Weihnachten die Kirchen voll werden, empfiehlt es sich, eine gute halbe Stunde vor Beginn einzutreffen. Als Kenner weist sich aus, wer vor dem Betreten einer Bankreihe eine vorwärtsgewandte Kniebeuge vollzieht und sich dabei mit der rechten Hand bekreuzigt.

Wie jetzt – setzen, stehen oder niederknien?

Vor Beginn der Feier dürfen Sie sitzen. Der Fachbereichsleiter Liturgie des Bistums Hildesheim, Franz-Wilhelm Thiele, empfiehlt, sich im Weiteren nach den übrigen Gottesdienstbesuchern zu richten. „Weihnachten ist sicher der falsche Zeitpunkt, um die Leute zu erziehen“, so der Theologie-Professor. Deshalb gelte der Grundstatz: „Wie Sie’s machen ist es richtig.“ Das mitunter irritierende Auf- und Ab während ist jedoch genau genommen Bestandteil der Feier. So sind die einzunehmenden Körperhaltungen an die Inhalte der Mess-Ordnung angepasst: „Zur Eröffnung stehen alle auf“, informiert Eduard Nagel vom Deutschen Liturgischen Institut in Trier „zu den Lesungen sitzt man, beim Evangelium steht die Gemeinde auf und man kniet nieder beim Hochgebet.“ Nach der Kommunion sei es in manchen Gemeinden üblich, sich zu setzen, andernorts werde danach gekniet, regional unterschiedlich werde auch der Schlusssegen auf Knien oder im Stehen entgegen genommen. Die Orientierung wird erleichtert durch bestimmte Signale: So wird, ganz zu Beginn, wenn die Hauptakteure aus der so genannten Sakristei einziehen, von diesen meist eine Handglocke geläutet (aufstehen). Die Lesungen – vorgesehen sind zwei kurze Bibelexzerpte, und es ist laut Nagel, „zwar wahr, aber im Grunde Unsinn, dass auf die zweite häufig verzichtet wird“ – durch Kurzansagen angekündigt. Gleiches gilt für das Evangelium, das als theologisch höherrangig gilt und dem deshalb stehend zu lauschen ist. Bei einem Hochamt in lateinischer Sprache, das an Heiligabend sehr selten, an den wahren Feiertagen aber durchaus anzutreffen ist, lautet die Einleitung für die Lesungen „Lectio Iesaiae prophetae“ oder „epistolae beati Pauli apostoli“ beziehungsweise „sequentia Sancti Evangelii secundum Lucam“. Schlüsselworte fürs Niederknien: „In der Nacht, da er verraten wurde…“.

Was ist wenn es doch ein Krippenspiel gibt?

Im Falle eines Krippenspiels wird unweigerlich auch der Weihrauch fällig: Das Harz der Weihrauchpflanze (Olibanum) ist eines der Geschenke der Heiligen Drei Könige, neben Gold und Myrrhensalbe. Wobei die Heiligen Drei Könige erst in die Handlung eintreten, nachdem die beiden Hauptfiguren Maria und Josef eingeführt sind und den zentralen Ort der Handlung, ein Schafstall in der Nähe von Betlehem, aufgesucht haben. Der Erfinder der Krippenspiels, Franz von Assisi, hatte das Weihnachtsgeschehen im Jahr 1223 noch mit lebenden Tieren im Wald von Greccio aufgeführt, um die ärmlichen Verhältnisse dieser Geburt eindrucksvoller darzustellen. Heutzutage sind Spektakel in dieser Richtung nicht zu erwarten. Als künstlerisch-pädagogische Form dient das Krippenspiel vor allem der Erbauung. Es darf sitzen geblieben werden. Applaus wird nicht erwartet.

Warum gibt es keinen Wein?

Liturgisch ist das überhaupt nicht richtig. Erstens: Der Wein ist ja gar kein Wein mehr, sondern Blut. Zweitens ist die katholische Kirche ein ausgeklügeltes Stellvertreter-System: Der Priester und seine Helfer trinken für die Gemeinde mit. Dafür, dass, im Gegensatz zu den in den „Leib Christi“ verwandelten dünnen Teigplättchen (werden als Hostien bezeichnet), das Getränk nicht an alle Gemeindeglieder ausgereicht wird, gibt es allerdings keine liturgischen, sondern lediglich weltliche Gründe: Genannt werden die zumal in der kalten Jahreszeit ins Gewicht fallende Hygiene, ferner die Gefahr, dass kurierte Alkoholiker rezidivieren und das Problem der extremen Dauer – der Kelch wird nach jedem Schluck abgewischt.

Gilt der Segen auch, wenn ich ihn zuhause aus dem Fernseher empfange?

Wenn die Intention des Zuschauers vor dem Fernseher ist, „dass er mitbetet, dann ist das ein gültiger Segen“, sagt Ulrich Fischer, Geschäftsführer der katholischen Fernseharbeit und Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz beim ZDF. Würde der Fernseher nur nebenbei laufen, dann ist der Segen „nicht ungültig, denn er ist nicht gewollt und geht am Zuschauer vorbei.“ Am Sonntag, den 25.12., überträgt das ZDF von 10.45 bis 12 Uhr einen Weihnachtsgottesdienst live aus dem Mariendom zu Hildesheim. Es spricht Weihbischof Hans-Georg Koitz.

Klaus Irler und

Benno Schirrmeister