Bremen vor Berlin – bei den Ausgaben

„Forschungsstelle Finanzpolitik“ des früheren Finanz-Staatsrates Dannemann legte Vergleich der Stadtstaaten vor. Das Ergebnis: Während in Berlin die Ausgaben seit 1995 drastisch sanken, stiegen sie in Bremen kräftig an

Bremen taz ■ Wenn Bremen seine Ausgaben nicht drastisch senkt, hat es keine Chance vor dem Bundesverfassungsgericht. Das drängt sich auf als Schlussfolgerung aus den Zahlen, die die „Forschungsstelle Finanzpolitik“ (FoFi) des früheren Finanz-Staatsrates Günter Dannemann jetzt in einer Expertise vorgelegt hat. Das Papier vergleicht die Ausgaben der Stadtstaaten. Das Ergebnis: Bremen liegt deutlich über dem Pro-Kopf-Ausgabenniveau von Berlin und von Hamburg. Wenn aber ein Sanierungsland Hilfe bekommt und nicht besonders „sparsam“ ist in seinem Ausgabeverhalten, könnten die Verfassungsrichter sagen, dass die Haushaltsnotlage nicht unverschuldet ist.

Selbst wenn man die Zinslasten für die Alt-Schulden wegdenkt – die Gesamtausgaben ohne Zinslast nennen Finanzwissenschaftler „Primärausgaben“ – würde Bremen jedes Jahr hunderte Millionen Defizit erwirtschaften, während Berlin schon 2007 die „Primärausgaben“ mit den Einnahmen zur Deckung bringen will.

In dem Papier der Forschungsstelle Finanzpolitik heißt es nüchtern: „Berlin hat im Zeitraum 1995 bis 2004 bezüglich der Gesamtausgaben seine relative Position zum Flächenländerdurchschnitt um rund 15%-Punkte verringert, während in Bremen ... das Niveau der Gesamtausgaben gegenüber den Flächenländern um 6%-Punkte ... gestiegen ist.“

Beim Vergleich mit den Flächenländern wird den Stadtstaaten im Finanzausgleich ein Einnahme-Niveau von 135 Prozent des Flächenländer-Durchschnitts zugestanden – wegen der besonderen „großstädtischen“ Funktionen der Stadtstaaten. Das Ausgaben-Niveau Bremens liegt aber bei 153 Prozent. Bremens „Primärausgaben“ pro Kopf – also Ausgaben ohne Zinslast – lagen 1995 bei 133,2 Prozent im Verhältnis zum Länderdurchschnitt und stiegen bis 2004 auf 145,1 Prozent (siehe FoFi-Grafik).

Gesteigert wurde die Investitionsquote: In Berlin „sind die Investitionsausgaben von 934 Euro je Einwohner im Jahr 1995 auf 523 Euro je Einwohner im Jahr 2004 reduziert worden.“ In Bremen sind die Investitionsausgaben „seit 1995 stetig von 627 Euro je Einwohner bis auf 1.185 Euro je Einwohner im Jahr 2004 (+ 88,9%)“ gestiegen (FoFi).

Die Bremer Investitionsausgaben werden bei den Geber-Ländern sehr kritisch gesehen – zumal die erhofften Sanierungseffekte ausblieben und Bremens Abhängigkeit von Transferzahlungen nicht geringer wurde. Bremens eigener Gutachter Helmut Seitz hatte in dem noch nicht veröffentlichen Papier für die Verfassungsklage ausgeführt, dass man unter Finanzwissenschaftlern durchaus diskutiert, einem Haushaltsnotlagen-Land als „Eigenbeitrag“ zur Sanierung ein Unterschreiten des 135 Prozent-Ausgabenniveaus im Verhältnis zu den Flächenländern zuzumuten. Seitz diskutiert ein Niveau von 125 Prozent als „zumutbaren Eigenbeitrag“. Wenn man die bremischen Staatsausgaben um 20 Prozentpunkte reduzieren könnte, dann wäre der Primär-Etat tatsächlich ausgeglichen, die Finanzpolitik wäre „nachhaltig“ und neue Schulden würden nicht entstehen. Der frühere Staatsrat Dannemann hält 130 Prozent für eine unterste Marke, die einer Großstadt-Bevölkerung zumutbar ist. Auch das wäre aber weit entfernt von den gegenwärtigen 145 Prozent der Primärausgaben.

Eine schnelle Reduzierung der überdurchschnittlichen Bremer Investitionsausgaben ist aber nicht möglich. Denn die bis zum Jahre 2010 für Investitionen vorgesehenen Summen sind weitgehend gebunden, also vorab auf Kredit ausgegeben oder verpflichtend verplant, nur 160 Millionen Euro sind noch „verfügbar“. Von den eingeplanten investiven Haushaltsmitteln der Jahre 2011 bis 2015 sind schon 22,4 Prozent, und für die Jahre nach 2015 bereits 648 Millionen Euro gebunden.

Die Risiken dieser Finanzpolitik bei der Vorbereitung der Verfassungsklage berührt die Haushaltspolitiker der Koalition offensichtlich weniger. Allein in der Sitzung am 16.12. wurden 12 Millionen Euro auf die Töpfe der Jahre 2011 bis 2015 verschoben, um aktuell wieder etwas Luft für andere und neue Geldausgaben zu bekommen. Die Tabelle des Finanzressorts, aus der hervorgeht, wie weit zukünftige Haushalte schon festgelegt sind, wurde nicht verteilt – auf Intervention der CDU. Klaus Wolschner