PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Mail an Arnold Schwarzenegger

Wenn der Faschismus sich einen Lieblingsort suchen müsste, Graz käme auch heute noch in die engere Wahl

Für einen Moment lang hatte ich mir tatsächlich eingeredet, ich könnte Stanley Willliams vor seiner Hinrichtung bewahren. Getarnt als Joseph Kling aus Thal bei Graz, dem Heimatort von Arnold Schwarzenegger, hatte ich dem Gouverneur von Kalifornien einen Tag vor der geplanten Hinrichtung noch eine E-Mail geschickt: „Lieber Arnold“, log ich da, „wahrscheinlich erinnerst du dich nicht mehr an mich, Joseph Kling von der Gaststätte Thalersee. Aber ich möchte dir im Namen vieler deiner Freunde aus der Heimat schreiben und dich bitten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Der Herrgott hat uns Menschen nicht zum Richter über Leben und Tod gemacht. Herzlichst, dein Joseph Kling.“ Die grammatikalische Struktur der Sätze hatte ich absichtlich sehr einfach gewählt und mit dem Begriff „Herrgott“ hoffte ich, den Gouverneur an seine Kindheit erinnern zu können, als er von seinem Elternhaus in Thal bei Graz mit einer weißen Kerze in der Hand über einen unbefestigten Feldweg zur Kommunion in die Dorfkirche lief. Aber wahrscheinlich hat Gouverneur Schwarzenegger die Mail nicht mehr rechtzeitig bekommen.

Vor ein paar Jahren hatte ich mir Thal genauer angeschaut: Das Dorf liegt etwas oberhalb von Graz auf einem Hochplateau und das Geburtshaus von Arnold wiederum am Rande des Dorfs, dort, wo früher die etwas ärmeren Leute lebten. Ich habe es einstöckig in Erinnerung, hinter einem hölzernen Gartenzaun wuchsen viele bunte Blumen. Die neuen Besitzer hatten ein Schild angebracht, auf dem sie darum baten, von Besichtigungswünschen Abstand zu nehmen. Arnold, damals nicht Governator, sondern noch Terminator, war just zu diesem Zeitpunkt auch in Graz, um die Europa-Premiere seines neuesten Films zu bewerben. Die Innenstadt war aus diesem Grund großräumig abgesperrt, überall Polizei, und „Arnie“, wie sie ihn hier nennen, ließ sich in einer dieser albernen amerikanischen Stretch-Limousinen durch die engen Straßen seiner Heimatstadt chauffieren, um seinen Landsleuten dadurch zu zeigen, was für arme Würstchen sie geblieben sind.

Viele Fassaden in Graz sind seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr gestrichen worden. Entweder aus stillem Protest gegen die neue demokratische Zeit oder einfach nur aus Geldmangel. Jedenfalls gibt es dadurch kaum einen besseren Ort auf der Welt, um sich vorzustellen, vor welcher Kulisse die Österreicher ihren Befreier Adolf gefeiert haben. Mich schaudert noch heute, wenn ich an die Begegnung mit jenem Zivildienstleistenden in einem ehemaligen Konzentrationslager nahe Graz denke, der völlig alleine das Gelände bewachte und erzählte: Die meisten Grazer würden diese Erinnerungsstätte am liebsten einebnen lassen. Er würde selbst von seinen Verwandten für seine Arbeit hier beschimpft. Ich war an diesem Tag der einzige Besucher. Es war jenes Jahr, als der Gemeinderat von Graz beschloss, das Fußballstadion der Stadt in „Arnold-Schwarzenegger-Stadion“ umzubenennen. Damals stimmten selbst die Sozialdemokraten und Grünen dafür, nicht ahnend, dass sie diesen Beschluss acht Jahre später bitter bereuen würden.

Die konservative Volkspartei und die rechtslastigen Freiheitlichen stehen allerdings weiter treu Seit’ an Seit’ zu Arnold Schwarzenegger. Sie bedauern zutiefst, dass Arnold den ihm verliehenen „Ehrenring“ der Stadt Graz beleidigt zurückgeschickt hat. Ehrenring – schon der Name passt irgendwie zu den grauen Grazer Hausfassaden.

Bürgermeister Siegfried (!) Nagl fiel gar auf die Knie und winselte: „Lieber, lieber Arnold, nicht alle denken so schlecht von dir, bitte hab uns Grazer weiter lieb, wir lecken dir die Füße. Heil A …“ – nein , so hat er es jetzt wirklich nicht formuliert. Nur gedacht. Aber Arnold Schwarzenegger blieb hart. So ist das halt mit ihm: keine Gnade – nicht einmal mit Bürgermeister Nagl.

Ich habe Gouverneur Schwarzenegger nach der Hinrichtung nochmals eine Mail geschrieben. Diesmal mit echtem Namen: „Bist ’n riesen Oasch.“ Ich hoffe, er hat wenigstens diesmal verstanden.

Fotohinweis: PHILIPP MAUSSHARDT KLATSCH Fragen an den Arsch? kolumne@taz.de Dienstag: Bernhard Pötter über KINDER