So duftet Berlin

FRÜHLING Noch zaghaft, aber unaufhaltsam: Der Lenz ist da – und mit ihm die Düfte der Natur. Doch Obacht! Nicht alles, was gut riecht, ist auch natürlich. Duftmarketing manipuliert unsere Nasen und leert die Portemonnaies

Wer den Store des Taschenherstellers Bree in den Potsdamer Platz Arcaden betritt, findet den gleichen Duft vor, wie in den Bree-Geschäften in London oder Buenos Aires. Es ist eine Mischung aus Grapefruit, Estragon und schwarzem Pfeffer. Auch etwas Orange ist dabei – und fertig ist der Corporate Scent, der unverwechselbare Firmenduft. Aber auch Raum für Variationen gibt es. Im Sommer kommt noch ein Hauch Sonnencremeduft dazu, im Winter wird etwas Zimtaroma untergemischt.

VON UWE RADA

Zusammen mit Zeder und Eiche ergibt Lavendel bei der Firma Duftmann die Komposition „Carribean Sun“. „Das Duftspray verführt zum Träumen und bringt Männer und Frauen in Urlaubsstimmung“, heißt es in der Firmenwerbung von Duftmann. Eingesetzt wird der Duft in Bademodengeschäften, Reisebüros und Sonnenstudios. Im Angebot hat die Firma auch „Sensitive Touch“. Das ist ein „blumiger Duft, der das Gefühl von Sauberkeit und Frische olfaktorisch unterstützt“.

Die Amseln trällern schon ihre betörende Melodie. Die Knospen warten nur darauf zu explodieren. Eine geballte Ladung Frühling steht uns am Wochenende bevor.

Mit dem Frühling kommt auch der Frühlingsduft. Narzissen, Hyazinthen, Hundescheiße. Dazu dieser Geschmack der wärmenden Sonne auf der Haut. So riecht der Frühling. Normalerweise.

Holz ist ein beliebter Duft in der Palette des Duftmarketing. Zum Einsatz kommt er nicht nur bei Outdoorgeschäften, sondern– in Kombination mit Leder – auch in der Automobilindustrie. Zum Beispiel beim Citroën C4 oder dem Maybach 57, schreibt Martin Schiansky in seinem Buch „Duftmarketing“. Die Zeit der Tannen-Geruchsspender am Rückspiegel ist vorbei. In Outdoor-Geschäften überdeckt der Duft von frisch geschlagenem Holz den Geruch von Imprägniermitteln.

Aber nicht bei jedem Frühlingsduft, der uns in die Nase steigt, ist auch Frühling drin. Duftmarketing heißt der Trend, der neben den Geschäften zunehmend auch den öffentlichen Raum erreicht. Nicht nur nach Hyazinthen und Hundekacke riecht dann der Frühling, sondern auch nach Vanille, Pampelmuse, Lavendel, Moschus, Grapefruit. Und natürlich nach frischen Brötchen.

Nicht nur als Parfüm wird Moschus eingesetzt, sondern auch als „Buchparfüm“. Auf die Idee kam der Göttinger Verlag Steidl. Zusammen mit dem Modezar Karl Lagerfeld sollte ein Geruch entwickelt werden, der als „Paper-Passion“ die emotionale Bindung zum Buch verstärkt. Mit dabei beim bibliophilen Duftmarketing war auch der unvermeidliche Günter Grass. Er schrieb ein Gedicht mit dem Titel „Duftmarken“. Neben Moschus ist übrigens auch Osmanthus – Duftblüte – im Spiel.

Inzwischen ist eine ganze Industrie rund ums Duftmarketing entstanden. Mit Hilfe der natürlichen, oft aber auch synthetischen Aromastoffe, lässt sich der Umsatz von Brötchen um bis zu 6 Prozent steigern, haben Marktforscher herausgefunden. Frühlingszeit ist also auch Zeit für höchste Wachsamkeit.

Der Duft der Pampelmuse verbreitet sich nicht nur in der heimischen Küche, wenn wieder mal Obstsalat geschnippelt werden muss. Er wird oft auch in Bars eingesetzt. Der Grund: Der Pampelmusenduft fördert angeblich die Lust auf alkoholische Getränke. In einer Untersuchung der Firma Scentcommunications heißt es außerdem, Frauen wirken um sechs Jahre jünger, wenn sie nach Pampelmusen riechen. Die Firma nennt als Referenzbeduftung übrigens das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart.

Jasmin, Bergamotte, Geranie und Rose ergeben bei „Duftmann“ den Raumduft „City-Girl“. Er sei: „stylish und verspielt, frisch und feminin, ideal für Damen, die sich gerne etwas gönnen.“ Als Einsatzgebiete kommen in Frage: „Für alle Plätze, die Frauenherzen höher schlagen lassen, wie Orte mit Schuhen, Kleidung, Kosmetik und Accessoires.“ Falls das City-Girl etwas zu viel geraucht hat, steht „Anti-Tobacco“ zur Verfügung. Mit der „Herznote Koriander, Zitrus, Orange, Nelke“.

Um der Manipulation zu entgehen und Frühlingsduft pur zu genießen, lohnt sich deshalb ein Ausflug ins Grüne. Dort gibt es dann auch noch Waldmeister und Bärlauch. Die Natur weiß schon, was wir riechen wollen.

Und das Wetter spielt mit: Am Sonntag soll es 18 Grad und Sonne geben. Am Montag gibt der Frühling noch ’ne Schippe drauf.

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