Eine Frage der Ethik

AUS BERLINULRIKE WINKELMANN

Noch ist auch im Bundestag die Debatte darüber nicht zu Ende, wann welche deutschen Beamten sich in den Foltergefängnissen der Welt zu welchem Zweck aufgehalten haben.

Damit ist der intern geäußerte Wunsch der Bundeskanzlerin, die Sache bis Weihnachten vom Tisch zu bekommen, selbst vom Tisch. Denn wenn Mitte Januar die Parlamentssaison wieder beginnt, soll der Themenkomplex CIA-Entführungen, Guantánamo und Zugeständnisse im Antiterrorkampf mindestens den Innenausschuss noch einmal beschäftigen.

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz erklärt, grundsätzlich habe er auch „nichts dagegen, wenn dann noch einmal zusammengeschrieben wird“, was Innen-, Justiz- und Außenministerium sowie die Geheimdienste preisgegeben haben. Die Forderung nach einem derartigen umfassenden „Bericht“ haben die Grünen erhoben. Nach den eineinhalb „Tagen der Aufklärung“ vergangene Woche, als die zuständigen Minister in vier verschiedenen Ausschüssen gleichzeitig unter teils widersprüchlichen Bedingungen Auskunft gaben, blieben nicht nur sie allein etwas ratlos zurück.

Von dem Bericht wollen die Grünen abhängig machen, ob sie die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses verlangen. Dies trifft ungefähr die Linie der anderen, insgesamt kritischer auftretenden Oppositionsfraktionen, die zwecks Durchsetzung die Grünen auf jeden Fall brauchen. Hinter vorgehaltener Hand sagt aber mancher, dass es für einen ganzen U-Ausschuss möglicherweise gar nicht genug „Stoff“ gebe.

Es kündigt sich jedoch bereits Stoff für die Auseinandersetzung darum an, welche Konsequenzen gezogen werden sollen, wenn die Informationen erst beisammen sind. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat schon angedeutet, wie sein Angebot lautet: Zukünftig solle „zwischen den Aufgaben der Nachrichtenbeschaffung und den Aufgaben der Polizei“ schärfer getrennt werden.

Das heißt, die Bundesregierung könnte am Ende der Affäre erklären, dass das Bundeskriminalamt (BKA) als normale Polizeibehörde demnächst daheim bleibt. Die Geheimdienste – Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz – jedoch sollen weiter Terrorverdächtige auch in „Folterknästen“ besuchen dürfen. Dass gemischte Delegationen aus BKA, BND und Verfassungsschutz eine Verhörreise machen, wie im November 2002 nach Syrien zu Mohammed Zammar, dem „Ziehvater“ der Terrorattentäter des 11. September 2001, wäre dann ausgeschlossen.

SPD-Innenexperte Wiefelspütz erklärt, da der Verfassungsschutz eigentlich nur fürs Inland zuständig sei, sei er sogar dafür, „dass der BND das in Zukunft ganz alleine macht“. Wie die meisten Großkoalitionäre verteidigt Wiefelspütz den Trip nach Damaskus, erklärt jedoch: Was die Wahl der Beamten angeht, „haben wir jetzt eine geschärfte Rechtsauffassung“. Denn das BKA muss ermitteln, sobald es Straftaten erkennt – die Geheimdienste nicht.

Dies wird der Opposition nicht reichen. „Wir können bei den Konsequenzen nicht in der Zuständigkeitsfrage stecken bleiben“, sagt etwa der FDP-Innenexperte Max Stadler. Es dürften überhaupt keine Verhöre durch deutsche Beamte in Foltergefängnissen und „auch nicht unter folterähnlichen Situationen“ stattfinden. Im Übrigen sei „die Diskussion über den Austausch von Geheimdienstinformationen auch damit nicht beendet“. Der Regelfall für die Geheimdienstkooperation ist ja nicht der Damaskustrip, sondern die Weitergabe von Verhörprotokollen.

Auch der grüne Menschenrechtspolitiker Volker Beck sagt, „weder BKA- noch BND-Beamte haben etwas in Foltergefängnissen zu suchen“. Das sei nicht bloß eine Frage der sauberen Aufgabentrennung zwischen Polizei und Geheimdiensten – „sondern der Ethik“.