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: Das Beste zum Fest: Weihnachtsgeschichten, Weihnachtsbücher mit und ohne Weihnachten, Weihnachtsshows

Die Idee ist einfach, und wie viele einfache Ideen ist sie gut. Der Osterhase ist neidisch. Immer kriegt das Christkind das glänzendste aller Feste. Deshalb will er mit dem Christkind den Job tauschen. Das liegt mit Sonnenbrille auf einer Sonneninsel im Liegestuhl und schlürft eine Pina Colada, alkoholfrei. Das Christkind ist sofort einverstanden: Endlich kann es einmal gemütlich vom Sessel aus die Weihnachtsshow im Fernsehen anschauen! „Tut mal was Verwegenes!“, ruft das Christkind seinen Helfern zu, „und überrascht die Menschen zu Ostern mal mit etwas Ausgefallenem.“ Der Osterhase legt nicht ganz so viel Ehrgeiz an den Tag. Er sieht den Rollentausch eher von der genießerischen Seite, schaltet seine Flugmaschine auf Autopilot und macht erst mal ein Nickerchen.

„Die Weihnachtsshow“ ist das witzigste Buch zum Thema, aber Weihnachten im eigentlichen Sinn kommt darin nicht mehr vor. Eine Parodie, die nicht nur von einer Show erzählt, das Bilderbuch selbst ist ein Event – ein Riesenspaß und ein absolut weihnachtsfreies Weihnachtsbuch.

Das Gegenteil dazu bildet die Weihnachtsgeschichte von Selma Lagerlöf, der schwedischen Literaturnobelpreisträgerin und Erfinderin von Nils Holgersson. „Die Heilige Nacht“ wurde 1904 geschrieben und von Ilon Wikland, der Illustratorin der Astrid-Lindgren-Bücher, für diese Neuausgabe malerisch noch einmal erfunden. Großmutter ist gestorben, und nun ist Weihnachten – ohne sie. Wie soll das gehen? Es geht, weil Großmutter einen Sack voller Geschichten hinterlassen hat. Etwa jene, die von einer Nacht erzählt, in der die Hunde nicht beißen und die Stöcke nicht schlagen; in der Engel den Himmel abfliegen und die Großmutter mit ihrer Enkelin daheim bleiben muss – die eine ist zu alt, die andere zu jung für die Christmette. Ein Buch, das auf altmodische Art Wärme und Trost verströmt.

Wie Tröstliches und Witziges zusammenpassen, zeigt Zoran Drvenkar. Erfreulicherweise fehlt ihm dieses Gewollte, das einem bei Weihnachtsbüchern so oft auf die Nerven geht, völlig. „Ich will von zu Hause wegrennen, und ich will ein Buch schreiben, in dem nur Weihnachten vorkommt.“ So beginnen die autobiografischen Kindheitsgeschichten aus dem Berlin der Siebzigerjahre. Beides hat der kleine Zori wahr gemacht.

Auf jeder Seite Weihnachten und die Hoffnung, dass sich der Schnee gnädig über die Zerwürfnisse und enttäuschten Hoffnungen legen möge. Weihnachten ist das Fest der Chaosrituale: Der Vater zögert den Baumkauf bis kurz vor der Bescherung hinaus, weil die Preise dann purzeln, wobei er regelmäßig in der Kneipe versackt. Die kroatische Nachbarschaft ergießt sich wie eine Flutwelle über das Fest. Der Vater verlässt die Familie. Oder man tanzt zu Elvis-Songs. Ein anrührendes Weihnachtsbuch, das ohne Stimmungsbilder auskommt, das von der Hoffnung auf Versöhnung lebt und Trost schöpft aus dem Gelächter über all die alljährlichen Weihnachtsunfälle. Zum Schluss noch ein Tipp für jene, die dem Kinderbuchalter entwachsen sind und trotzdem nicht auf gute Weihnachtsgeschichten verzichten mögen. „Das große Weihnachtsbuch“ präsentiert Erzählungen und Gedichte aus fünf Jahrhunderten. Luther und Max Goldt, Hermann Hesse und Gottfried Keller, Doris Dörrie und Robert Gernhardt – 250 Autoren mit einem anständigen Register als Orientierungshilfe. Das ist ein großartiges Angebot für Fortgeschrittene der Weihnachtsliteratur, einem weit unterschätzten Genre. ANGELIKA OHLAND

Brigitte Schär, Jörg Müller: „Die Weihnachtsshow“. Verlag Sauerländer, Düsseldorf. 14,90 EuroSelma Lagerlöf, Ilon Wikland: „Die Heilige Nacht“. Oetinger Verlag, Hamburg. 12 Euro Zoran Drvenkar: „Die Nacht, in der meine Schwester den Weihnachtsmann entführte“. Carlsen Verlag, Hamburg. 260 S., 14 Euro Günter Stolzenberger (Hg.): „Das große Weihnachtsbuch“. Artemis & Winkler, Düsseldorf. 616 S., 39,90 Euro