War nicht so gemeint!

Weihnachten ist das Fest der Versöhnung. Wir machen schon mal den Anfang und bitten Prominente um Verzeihung, denen dieses Jahr höchstwahrscheinlich Unrecht getan wurde – ein Friedensangebot

Von Christian Franke
und Peer Schader

Anke Engelke undHugo Egon Balder

Sicher: So schwer kann es nicht sein, auf einer völlig drögen, pupslangweiligen Selbstbeweihräucherungsveranstaltung ein paar knallige Scherze zu landen, vor allem wenn man die Show moderiert. Wenn aber eh sicher ist, dass nachher kaum einer zuschaut, ist es vielleicht einfacher, sich gar nicht erst so viel Mühe zu machen. Insofern war es nur konsequent, dass Engelke und Balder die diesjährige Verleihung des Deutschen Fernsehpreises wegmoderierten, als sei ihnen nie zuvor ein Gag gelungen. Man muss sich seine Ressourcen eben einteilen.

Horst Köhler

Als wir Horst Köhler am 21. Juli im Fernsehen sahen, überfiel uns das Grauen. Der Ton war defekt, und wir waren sicher, Köhler ruft den Notstand aus. Oder schickt unsere Jungs in den Irak. Oder holt Kohl zurück. Im Internet haben wir uns den Text besorgt: bloß Notstand. Im Rückblick war Köhlers Performance in ihrem Mut zur Unbeholfenheit Vorbote der neuen Ehrlichkeit. Wir lieben unser Land, wir lieben unseren Präsidenten und unsere First Lady. Sie sieht zauberhaft aus, sie muss nicht auch noch Krawatten binden können.

Sarah Connor, Marc Terenzi und ihr Muckel

Es ist nicht fein, sich über Promis lustig zu machen, nur weil die einem Fernsehteam gestatten, sich bei ihren Familienstreits filmen und das dann als Dokusoap ausstrahlen zu lassen. So viel Mut muss man erst mal haben! Den meisten Leuten wäre es peinlich, dabei beobachtet zu werden, wie man sich beim Ikea-Bettenaufbau derart in die Haare kriegt, dass man sich mit F-Wörtern beleidigend auseinander stürmt. Viele Menschen würden im Boden versinken, wenn sie wüssten, dass jemand zusieht, wie sie minutenlang vergeblich versuchen, das gerade installierte Babygitter am Treppenaufgang aufzukriegen. Egal! „Sarah & Marc in Love“ war ein Lichtblick im tristen Sommerprogramm.

Sonya Kraus und Elton

Dekoriert wie ein Christbaum saß Sonya Kraus im Januar Abend für Abend im improvisierten Studio vor der österreichischen Burg Rapottenstein und tauschte bei „Die Burg“ auswendig gelernte Boshaftigkeiten mit ihrem Knappen Elton aus, der ab und an die auf der Burg eingesperrten Promis mit Ekelaufgaben belästigte. Dabei waren die auch ohne Unterstützung bereit, aufeinander loszugehen. Trotz desaströser Quoten hielten Kraus und Elton tapfer durch – es hat ihrer „Karriere“ nicht weiter geschadet. Das muss erst mal einer nachmachen!

Heidi Klum

Heidi Klum ist das hübsche Gesicht des besseren Neuen Deutschland. Sie ist Glamour, sie ist Hollywood und hat unser Land bei der WM-Auslosung weltmeisterlich vertreten. Ihr zuschauerfreundliches Kleid war für die SZ „sympathisch ausgeschnitten und schimmerte müllsackblau“, das iranische Fernsehen blendete Frau Klum aus. Vergessen sind nicht nur ihre Unsicherheit in Fragen von Kleidung und Frisur, vergessen sind auch die unzähligen Auftritte in deutschen Werbespots (ihre geplante Hochzeit mit Franz Beckenbauer wurde wegen marktbeherrschender Stellung auf dem Werbesektor vom Bundeskartellamt unterbunden). Im nächsten Jahr sehen wir mehr von ihr. Und für den Iran haben wir ja noch Frau Merkel.

Oliver Pocher

Es ist so leicht, über den Oli Pocher zu schimpfen, weil er sich immer, immer, immer daneben benimmt und alle beleidigt: seinen eigenen Sender, Frauen und Mariah Carey. Aber wie schwer muss es sein, stets den nachpubertierenden Jungspund zu spielen, wie unheimlich, auch in nüchternem Zustand so zu tun, als sei man stockbesoffen, und wie viel Wertschätzung hat man nötig, wenn man beim „TV Total Turmspringen“ so dämlich ist, sich anfeuern zu lassen, bis man den irren Sprung vom Hallenbaddach ins Becken bringt. Oli, wir sind an deiner Seite.

Sarah Kuttner

Und Sarah! Ja, du bist süß, jedenfalls manchmal, aber lass doch dieses alberne Kokettieren damit und die Versuche, ironisch zu sein. Es geht einfach nicht. Du tust den Menschen weh. Dabei kann die „schnodderigste Charme-Rakete des deutschen Farbfernsehens“ (MTV) doch so viel mehr: Sie saß dieses Jahr nicht nur in der Jury für den „Style Award“ des Musikexpress, sondern hat gleich selbst einen Preis bekommen. Tusch! Sarah, bleib jung, werd seriös – dann sind wir deine Fans und vielleicht klappt’s auch mit dem WDR.

Außerdem …

… verzeihen wir Thomas Kausch, der sich mit dem durchschaubaren Versprecher „Frau Kirchhoff“ im Kanzlerduell vorzudrängeln versuchte, wir verzeihen Harald Schmidt die schlechten zweiten Hälften seiner Sendungen, wir verzeihen Gerhard Schröder – längst nicht alles, aber diesen einen Auftritt, wir verzeihen der Bavaria das bisschen Schleichwerbung (ist ja jetzt eh legal), wir verzeihen RTL II, dass in der „Nutella-Show“, dem Fernsehen der Zukunft, redaktionelle Beiträge versteckt waren, wir verzeihen alles – nur Johannes B. Kerner, dem verzeihen wir nicht. Es gibt einfach Grenzen, wie weit man gehen darf. Auch an Weihnachten.