ATOMAUSSTIEG UND STROMPREISE: DIE DEBATTEN GEHÖREN ZUSAMMEN
: Ein billiges Ablenkungsmanöver

Die Laufzeitbegrenzung für Atomkraftwerke muss fallen – so tönt es nervtötend und regelmäßig aus der deutschen Politik. Zuletzt posaunten die CDU-Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Baden-Württemberg die Forderung hinaus. Ihre Begründung: Der Strom würde sonst zu teuer.

Alternativ wird gerne angeführt, der Treibhauseffekt sei nur mit AKWs zu stoppen. Dabei ist klar: Für die vier großen Stromkonzerne wäre es zwar schön und profitabel, ihre Meiler weiterzubetreiben. Aber auch 10 oder 50 AKWs mehr werden weder die Klimakatastrophe verhindern noch die deutschen Strompreise auf das Niveau von Ländern mit einem funktionierenden Strommarkt senken. Dafür ist Atomkraft zu teuer und spielt eine zu kleine Rolle für den Energieverbrauch.

Bei der Atomkraftdiskussion handelt es sich um ein Ablenkungsmanöver. Solange immer alle reflexhaft ihre Pro- und Kontra-AKW-Positionen beziehen, wird nicht über die eigentlich politisch brisante Frage diskutiert: Warum können sich in Deutschland die Energiekonzerne auf Kosten von Industrie und Verbrauchern weiterhin ungeniert bereichern? Den Vogel schoss dabei gestern Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ab: Treuherzig forderte er, die Stromproduzenten sollten „bei ihrer Preisgestaltung so zurückhaltend wie möglich“ sein. Das rundet die Diskussion der letzten Tage herrlich ab: Der Herr Wirtschaftsminister ist nämlich zuständig für die Energiepreise. Er und seine Länderkollegen kontrollieren sie auf der Grundlage von Gesetzen und Verordnungen.

Mit all dem Blabla lenken die Politiker davon ab, dass sie es sind, die zulassen, dass vier große Stromkonzerne in Deutschland schalten und walten, wie sie wollen. Weil sich die absurd überhöhten Durchleitungsgebühren wohl nicht mehr länger halten lassen, ist den Unternehmen etwas Neues eingefallen: An der Leipziger Strombörse treiben sie die Preise hoch, um dann mit den gleichen künstlichen Hochständen ihre Kunden zu melken. Bei solchen Hase-und-Igel-Spielen machen die Politiker seit vielen Jahren gerne mit – ganz ohne Laufzeitbegrenzung. Leider. REINER METZGER