Deutschland zahlt mehr für das neue Europa

Hat Kanzlerin Angela Merkel geschickt verhandelt? Der deutsche EU-Beitrag steigt – aber weniger, als befürchtet

BERLIN taz ■ Grüne und FDP bezweifeln, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei den Verhandlungen über den EU-Haushalt ein gutes Geschäft abgeschlossen hat. Im Ergebnis der Einigung vom vergangenen Wochenende würden die deutschen Zahlungen nach Brüssel um mehrere Milliarden ansteigen, moniert die Opposition im Bundestag. Regierungssprecher Thomas Steg räumte zunehmende „Nettozahlungen“ für den Zeitraum 2007 bis 2013 grundsätzlich ein. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es, man rechne pro Jahr mit bis zu 3 Milliarden Euro höheren Überweisungen von Berlin an die EU.

Die Staaten der Europäischen Union hatten sich vor einer Woche auf ihren Finanzplan für die Jahre ab 2007 geeinigt. Weil die EU inzwischen zehn neue Mitgliedsstaaten hat, steigt der Haushalt der Gemeinschaft von rund 105 Milliarden Euro (2005) auf gut 120 Milliarden ab 2007. Das zusätzliche Geld bringen die westeuropäischen Staaten auf, darunter Deutschland. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß rechtfertigt die steigenden Zahlungen als Beitrag „zur Integration Europas“. Die grüne Finanzexpertin Christine Scheel findet trotzdem ein „Haar in der Suppe“ des von Merkel ausgehandelten Haushaltskompromisses. „Finanzpolitisch nicht zu verantworten“, sagt FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms.

Ungeteilte Freude herrscht auch im Hause von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nicht. Einerseits hat die große Koalition höhere EU-Kosten bereits einkalkuliert, andererseits soll aber jede zusätzliche Ausgabe an anderer Stelle eingespart werden, um die Neuverschuldung ab 2007 stark zu verringern. Die Konsolidierung wird durch höhere EU-Ausgaben schwieriger.

Bei den EU-Verhandlungen wurde festgelegt, dass Deutschland künftig 0,42 Prozent seines Bruttonationaleinkommens, im Prinzip die Wirtschaftsleistung eines Jahres, als Nettobeitrag an die EU abführen muss. 0,42 Prozent sollen also unter dem Strich herauskommen, wenn man die Überweisungen nach Brüssel mit den Mitteln verrechnet, die Deutschland als Förderung und Beihilfe selbst erhält. Bisher lag der Nettobeitrag zwischen 0,33 und 0,37 Prozent. Bei der CDU geht man davon aus, dass im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2006 rund 10 Milliarden Euro in die Kassen der EU flossen.

Der deutsche Beitrag ab 2007 wird auf 10 bis 12,5 Milliarden geschätzt. Wie viel Deutschland genau zahlen wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Auch früher schwankten die Überweisungen stark. 1998 waren es zum Beispiel 12 Milliarden Euro, 2004 dann aber nur 8,75 Milliarden. Der konkrete Beitrag lässt sich nur im Nachhinein ermitteln. Er hängt immer auch davon ab, wie viel der eingeplanten Fördermittel tatsächlich abgerufen werden.

Fest aber steht eines: Der Bundesfinanzminister wird weniger abgeben müssen, als die EU-Kommission ursprünglich haben wollte. Hätte Merkel einem Vorschlag vom Frühjahr 2005 zugestimmt, müsste Steinbrück noch eine knappe Milliarde draufpacken. HANNES KOCH

meinung und diskussion SEITE 12