WIE SIND WIR DENN DRAUF?
: Rennräder sind die iPhones der Straße

Morgens um neun am Kottbusser Tor, die Ampel auf Rot. In der Fahrradschlange ein paar Behelmte mit Kind, ein Hollandradmädchen und drei Trekkingräder. Inflationär wächst außerdem diese Gruppe: Frauen und Männer auf Rennrädern, mit edlen Rahmen, elegant gebogenen Lenkern und auf der Stange klangvolle Namen wie Antilope oder Pinarello. Die Hose der Besitzer sitzt eng, der Hintern ragt in die Luft, der Rücken ist im Stand leicht verdreht, weil Tasche oder Beutel auch noch irgendwie balanciert werden müsse. Und Fahrradkorb würde scheiße aussehen.

Ein bisschen komisch ist das schon: Die Nachteile eines Rennrads als städtischer Gebrauchsgegenstand liegen ja auf der Hand. Extrem dünne Reifen bleiben ständig in Straßenbahnschienen hängen, am Hintern klebt Matsch, weil die Schutzbleche fehlen, und ziemlich teuer ist so ein Rennrad auch noch – weshalb man es auch besser nicht auf der Straße stehen lässt, sondern hoch in die Wohnung in den fünften Stock trägt, wo es dann an der Wand hängt wie ein Kunstwerk. Und weil es nervt, das Ding ständig hoch und runter zu schleppen, bleibt es da auch mal ein paar Wochen hängen.

Womit wir beim Punkt wären. Das Argument „praktisch“ ist für Muttis. Und der Zweck der Fortbewegung ist für Rennradbesitzer zweitrangig. Worum es hier geht, ist Style. Das Rennrad ist das iPhone der Straße. Es sagt: Ich bin schnell und muss das auch sein, weil ich keine Zeit zu verschenken habe. Zeit ist Geld, und Geld hatte ich genug, um mir das hier kaufen zu können. Ich habe ein Faible für Design, ich bin sexy und sportlich, weshalb es auch okay für mich ist, kopfüber auf einem Carbonrahmen zu hängen und den Hintern in die Höhe zu recken wie eine Ente.

Die Trendsetter und Vorbilder der Rennradbesitzer sind die Profis: Kuriere, die mit so ultraleichten wie unbremsbaren Fixies die Schlagzahl vorgeben. Bei den Profis ist das Rad ein Arbeitsgerät, und dieser Umstand (Ich wohne in Berlin, aber ich habe einen Job!), gekoppelt mit dem Hauch von Gefahr, der die Fixies umgibt, strahlt auf sie ab, hoffen die Rennradbesitzer. Ein hässlicher Helm, der gegen diese Gefahr schützen würde, ist schon deshalb indiskutabel: Man macht sich ja nicht absichtlich das lässige Image kaputt, das man sich gerade aufbaut.

Deswegen sind die liebsten Situationen der Rennradbesitzer auch nicht die, in denen sie mal von A nach B fahren. Sondern die, in denen sie ihr urbanes Accessoire öffentlichkeitswirksam präsentieren können: schiebend. Oder vor roten Ampeln.PATRICIA HECHT Foto: Archiv