Endlich Frühling im Straßencafé

LOBGESANG AUF HOBRECHT

Hobrecht hätte heute selbst im Café gesessen

Neulich fragte mich eine Freundin, warum Berlin diese breiten Bürgersteige habe. Nirgendwo sonst könne man im Frühling so toll draußen sitzen wie hier. Nicht in Hamburg, nicht in München, nicht in Paris.

Meine Erklärung wollte sie nicht wirklich hören, wohl auch, weil ich etwas ausholen musste. Deshalb hole ich das hier nochmal schriftlich nach:

Der Berliner Bürgersteig geht zurück auf das Jahr 1862, obwohl es damals in der Bergmannstraße oder in der Kollwitzstraße noch gar keine Bürgersteige gab. Es gab noch nicht mal eine Bergmannstraße oder eine Kollwitzstraße. Wo sich heute das Sowohl als auch oder das Milagro befinden, lagen Felder und Wiesen und Äcker.

Es war James Hobrecht, der mit seinem berühmten Plan dafür sorgte, dass 150 Jahre später junge Kreative bei Latte Macchiato ihre Köpfe zusammenstecken können. Hobrecht wusste, dass Berlin wachsen würde, also hat er der Stadt breite Straßen, eine Traufhöhe von 22 Metern und eben breite Gehwege verpasst. Wahrscheinlich hätte er heute selber im Café gehockt und auf dem MacBook an seinem Plan gebastelt. Hätte ich meine Rede so begonnen, hätte mir die Freundin vielleicht zugehört.

Nicht vorzustellen, was passiert wäre, wenn Hobrecht nicht vom Königlichen Polizeipräsidenten den Auftrag bekommen hätte. Dann wäre es in Kreuzberg heute so eng wie in München-Schwabing, oder in Hamburg-Ottensen, stünden Café-Tische nur an ein paar Plätzen draußen. Keiner würde mehr Studien über den Beitrag der Kreativwirtschaft zum Berliner Inlandsprodukt in Auftrag geben, weil die Kreativen in Italien wären oder auf dem Land.

Ach könnte ich sie bloß zusammenbringen, den Hobrecht und die Freundin. Vielleicht würde sie ja ihm zuhören. UWE RADA