HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI
: John Wayne will nicht mehr

Die Väter des deutschen TV-Krimis arbeiteten wirklichkeitsnah. Ab 1958 dramatisierten Jürgen Roland und Wolfgang Menge für die Reihe „Stahlnetz“ nach US-Vorbild reale Verbrechen. Das ZDF folgte dem Modell ab 1963 mit dem „Kriminalmuseum“ und „Die fünfte Kolonne“. An diese Anfänge scheint man derzeit anknüpfen zu wollen. So beruhen die hessischen „Tatort“-Beiträge und auch die ZDF-Reihe „Verbrechen“ auf echten Straftaten. Die aktuelle „Tatort“-Folge „Wer das Schweigen bricht“ zeigt trefflich, wie spannend authentische Polizeiarbeit gestaltet werden kann.

Der Fall ist rätselhaft genug: In einer JVA wird in einer Einzelzelle ein Häftling tot aufgefunden. Nach Aussagen der Vollzugsbeamten hat er am Abend zuvor beim Einschluss noch gelebt. Nur der Besitzer eines Generalschlüssels hätte sich Zutritt verschaffen können. Eine knifflige Aufgabe für die Kommissare Conny Mey (Nina Kunzendorf) und Frank Steier (Joachim Król) und ihr Team. Kunstvoll ausgeführt, aber dennoch nie künstlich, sondern lebendig und dynamisch ist das Verhältnis der beiden leitenden Ermittler. Steier, der Misanthrop, zeigt sich zerknautschter denn je. Conny Mey, dem Alter nach jünger, im Verhalten die ältere Schwester, muss ihm das Hemd richten und die Einhaltung der Körperhygiene anmahnen. Während der Arbeit am Fall versucht sie wiederholt, ihm schonend beizubringen, dass sie sich an der Kieler Polizeischule beworben hat. Doch weiß er es nicht schon? Ist er deshalb über die Maßen cholerisch?

Die Schauspielerin Nina Kunzendorf verlässt den „Tatort“. Vielleicht war sie es leid, immer wieder im John-Wayne-Gang über die langen Präsidiumsflure stiefeln zu müssen, während die Kamera genüsslich auf ihrem hauteng eingeschnürten Gesäß verweilte. Kunzendorfs Kündigung bedeutet zwangsläufig das Ende der Figur Conny Mey. Sie tritt aus Steiers Leben, der Alkohol kehrt zurück. Auch eine Art Kompliment.

„Tatort“: „Wer das Schweigen bricht“; So., 20.15 Uhr, ARD