KOMMENTAR VON JAN FEDDERSEN
: Kolonisiert gut!

Touristen, ja, die laufen momentan in Rudeln durchs sogenannte Kreuzkölln, Epizentrum der neuen Gentrifizierungsgegend in der Hauptstadt. Wie sollte es anders sein? In Billigfluglinienmagazinen wird für diese Gegend und ihre neuen hippen Kneipen geworben.

Gegen sie ist nix zu sagen – die wollen Metropoles, Modisches, Angesagtes erleben. Na und? Die gehen auch wieder. Was an dieser Gegend in akuter Aufmöbelung wirklich nervt, sind die neuen EinwohnerInnen. Die, die der sagenhaft günstigen Mieten wegen in diesem Quartier siedeln – und den nobelsten Gedanken in puncto Gentrifizierung verraten. Sie könnten nämlich wirklich mehr sein als juveniles Geschmeiß, das einen auf Caffe latte macht, auf Hipp- und Coolness und sich selbst angetörnt fühlen, weil sie im einstigen Abschaumviertel nun wohnen.

Schön wäre, wenn sie für dieses Neukölln – das es in dieser prekären sozialen Zusammensetzung in allen Großstädten gibt – Verantwortung übernähmen. Sie sollten echte Kolonisten sein: indem sie etwa nicht nur ihre Kultur den Ansässigen nahebringen (sollen sie, hört eh außer ihnen niemand zu), sondern auch das Politische. Und zwar nicht im Stil politischer Aufheizung („billige Mieten, sofort und hier“), als ob ein ex-schäbiges Stück Stadt revolutionär gesinnt sein wollte. Nein, sie könnten Hausaufgabenhilfen für jene Kinder übernehmen, die dort wohnen müssen – und Hippness bislang nicht mal buchstabieren konnten. Das wäre Gentrifizierung mit Sinn. JAF