LUKAS KIRCHER, MEDIENENTWICKLER: WIE ZEITUNGEN DIE KRISE ÜBERLEBEN. GUTACHTEN II
: Es wird nichts bleiben, wie es ist. Aber was kommt?

Szenarium 1, optimistisch: Es gibt sie noch, nur anders.

Die publisher verändern ihre Angebote radikal auf die neuen Marktbedingungen. Alles ist digital. Da alle News über Update-Medien bekannt sind (Smartwatches, smarte Badezimmerspiegel, Kontaktlinsen mit Twitterfunktion), spezialisieren sich Medien stärker zu Fachmagazinen und erklären aktuelle Themen in real-time.

Leser, orientierungslos überfordert durch unbegrenzten Zugang zu Informationen, vertrauen ihren Medien als Filter: General interest wird auf mehrere Themenportale aufgeteilt; das beste, emotionalste, am meisten diskutierte Sportangebot; ein Premium-News- und Debattenportal für Politik und Gesellschaft. Print wird in den meisten Fällen als nicht refinanzierbar zurückgefahren, mit gelegentlichen Ausnahmen am Wochenende. Anzeigenabteilungen verwandeln sich radikal und erschließen als professionelle Werbe- und PR-Agenturen ständig neue Einnahmequellen. Einige wenige Zeitungen wie die New York Times verbleiben als General-interest-Titel und decken weiter das volle Spektrum an Nachrichten ab. Der Rest spezialisiert sich und wird dadurch erstaunlicherweise inhaltlich wieder besser.

Szenario 2, pessimistischer: Zeitungen gibt es auch morgen. Aber die Verlage sind weg.

Die Branche redet sich weiter schlecht. Da es Verlagen nicht mehr gelingt, für den Wandel exzellente Mitarbeitertalente zu binden, wird der Turnaround von rein auf Einsparung fixierten Managern besorgt. Doch Menschen lieben gute Inhalte natürlich weiterhin.

Die Anbieter sind nun aber andere: Die Deutsche Bank bringt die führende Zeitung für Nachrichten heraus, eine Art tägliche Impulse. Tommy Hilfiger steigt bei der Vogue ein. Starbuck’s zieht eine Kette an interessant gemachten Lokalzeitungen auf. Den Leser stört es nicht: Aufgrund der eindeutigen Erfahrung von Unternehmen mit billiger PR und stumpfer Werbung im Netz setzen Unternehmen auf guten Journalismus. Das Angebot lautet: Wir liefern nutzwertige Inhalte für die Informationsbedürfnisse unserer Zielgruppe, die Leser werten das publizierende Unternehmen besser, kaufen mehr ein und haben eine gute Meinung vom Unternehmen.

■ Lukas Kircher, 41, Editorial Designer, hat mit seiner Agentur KircherBurkardt die taz mehrfach beraten – auch für die taz.am wochenende