JOST MAURIN ÜBER DEN RUF NACH EINER EU-LEBENSMITTELPOLIZEI
: Erst mal zu Hause schauen

Eine europäische Lebensmittelpolizei, sozusagen „Europol“ fürs Essen – mit dieser Forderung als Konsequenz aus dem Pferdefleischskandal macht SPD-Chef Sigmar Gabriel leicht Schlagzeilen. Denn sie ist ja so schön griffig: Man sieht schon die Sheriffs aus Brüssel einreiten, wenn Betrüger mal wieder falsch deklarierte Nahrungsmittel in ganz Europa verhökert haben.

Aber eine neue Behörde wäre schon aus finanziellen Gründen falsch. Es gibt bereits genug Institutionen, die zur grenzüberschreitenden Überwachung der Lebensmittelbranche beitragen. Allen voran die für Gesundheit und Verbraucher zuständige Generaldirektion der EU-Kommission, die den Informationsaustausch zwischen den nationalen Kontrollbehörden organisiert. Oder das europäische Polizeiamt Europol. Es wäre billiger, die bestehenden Behörden zu reformieren, ihnen mehr Kompetenzen zu geben, als neue Institutionen zu schaffen.

Im Übrigen: Mehr Reformbedarf als in Europa gibt es in Deutschland. Hier sind Hunderte kleine Gemeinden und Landkreise für die amtliche Lebensmittelkontrolle zuständig. Damit sind sie hoffnungslos überfordert. Sie haben zu wenig Personal und geraten zu leicht unter Druck, wenn sie etwa einen Konzern schließen müssten, der ein großer Arbeitgeber in ihrem Landkreis ist. Weil jede Behörde nur für kleine Gebiete zuständig ist, arbeiten an mittleren Fällen mehrere Kommunen in verschiedenen Bundesländern. Das führt zu Doppelarbeit und Informationsverlusten.

Die Lösung ist eindeutig: Kontrolleure müssen nicht für die Kommunen, sondern für die Länder oder gleich den Bund arbeiten. Dafür sollten deutsche Politiker kämpfen, bevor sie nach Brüssel rufen.

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