Es geht um mehr als 770 Euro

JUSTIZ Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt Anklage gegen Christian Wulff. Ob es zum Prozess kommt, muss jetzt das Landgericht entscheiden

HANNOVER dpa/taz | Der Vorgang ist historisch einmalig: Erstmals soll sich in Deutschland ein früherer Bundespräsident wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Hannover erhob am Freitag Anklage gegen Christian Wulff. Ob das Verfahren gegen ihn eröffnet wird, ist allerdings offen. Zunächst muss das Landgericht Hannover darüber entscheiden, ob es die Anklage zulässt.

Hintergrund ist Wulffs Verbindung zu dem Filmproduzenten David Groenewold, den die Staatsanwaltschaft zeitgleich wegen Bestechung anklagte. Groenewold übernahm 2008 teilweise die Kosten für einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff in München. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident wusste davon nach eigenen Angaben nichts. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sollte Wulff so motiviert werden, bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Filmprojekt Groenewolds um Geld zu werben – was er einen Tag später auch tat.

Am Dienstag hatten Wulff und Groenewold ein Angebot der Staatsanwalt zur Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen abgelehnt. Wulff hätte 20.000 Euro zahlen sollen. Darauf wollte er nicht eingehen. Jetzt liegt es in der Hand des Landgerichts Hannover, ob es tatsächlich zum Prozess kommt. Eine schnelle Entscheidung zeichnet sich nicht ab. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gegen Wulff umfasst 79 Seiten, es werden 25 Zeugen benannt und sieben Aktenordner schriftliche Unterlagen als Beweismittel angeführt. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren ursprünglich Wulffs sämtliche Beziehungen zu vermögenden Freunden. Von den diversen Vorwürfen blieb schließlich aber nur der im Zusammenhang mit dem Oktoberfestbesuch übrig. Insgesamt war zuletzt die Rede von rund 770 Euro angeblicher Bestechungssumme. Die Staatsanwaltschaft betonte, der Wert der Zuwendung spiele aber bei der Anklageerhebung keine maßgebliche Rolle.