Der Mann am Rand

„Their Satanic Majesties Request“ ist die psychedelische Platte der Rhythm-&-Blues-Band Rolling Stones und stellt bereits damit eine Besonderheit in deren Werk dar, die noch akzentuiert wird dadurch, dass sich hier die erste und auch einzige auf einem Rolling-Stones-Album veröffentlichte Komposition von Bill Wyman findet. Die zweite, „Downtown Suzie“, zählt nicht wirklich, weil sie auf einem Sampler mit Liedern, die so von der Band eigentlich nicht zur Veröffentlichung gedacht waren, platziert wurde. Sogar selber singen durfte Wyman sein Lied, und schön ist bei diesem „In Another Land“ dann auch zu hören, wie Mick Jagger wenigstens im Refrain die Macht doch wieder an sich reißt.

Bill Wyman, vielleicht muss man daran erinneren, war der Bassist der Rolling Stones, der – so will es die Legende – die Aufnahme in der Band nur seinen Verstärkern verdankte, die er als Mitgift in das Projekt einbringen konnte. Auf dem Coverfoto von „Their Satanic Majesties Request“ sitzt er auf der rechten Seite, außen am Rand. Das ist sein Platz. Auf den Bandfotos und auf der Bühne, außen am Rand oder im Hintergrund (wenn ihm da nicht bereits Charlie Watts, der Schlagzeuger der Band, den Platz weggenommen hatte).

Aber vom Rand her betrachtet übersieht man vieles besser und vielleicht auch so ein Phänomen wie die Rolling Stones.

Im Jahr 1992 jedenfalls ließ Bill Wyman die Welt wissen, dass er nach drei Jahrzehnten Mitgliedschaft in der „World’s Greatest Rock ’n’ Roll Band“ ebendiese verlassen wolle, was von seinen Kollegen zuerst nicht sonderlich ernstgenommen wurde. Von Keith Richards etwa ist in diesem Zusammenhang der Spruch überliefert: „Die Stones verlässt man nur im Sarg – oder man wird rausgeworfen.“ Wyman aber machte es trotzdem und quittierte den Dienst. Was nun – vom Rand her betrachtet – doch nur heißen kann, dass die Rolling Stones eben kein metaphysisches Prinzip sind, dem man allein durch Wegsterben entkommen könnte. Sondern auch nur ein Sachverhalt, dem man durchaus mit seinem freien Willen beikommen kann (also nur Glaubensgemeinschaft, nicht Gott selbst).

Danach machte Bill Wyman dies und das. Er ordnete seine Erinnerungen an die Rolling Stones, eröffnete Restaurants. Und begann wieder in einer Band zu spielen, die jetzt sogar seinen Namen trägt: Bill Wyman’s Rhythm Kings. Wyman spielt den Bass und hält sich weitgehend im Hintergrund. Wie bei den Rolling Stones. Die Rhythm Kings spielen den Rhythm & Blues. THOMAS MAUCH

■ Bill Wyman’s Rhythm Kings: Postbahnhof, Montag, 20 Uhr