Sprachtests: Nikko Weidemann singt wieder mal Deutsch und Stereo Total kommen einem auf Spanisch

Okay, in diesem Fall müssen wir mal etwas weiter ausholen. Drei Jahrzehnte fast, in denen Nikko Weidemann jetzt schon aktiv ist. Seine erste Band hieß Flucht nach vorn. Aber bevor die so berühmt werden konnte, wie sie es vielleicht verdient gehabt hätte, war die Neue Deutsche Welle auch bereits wieder zu Tode geritten. Danach verdingt sich Weidemann als Mietmusikant, arbeitet für Rio Reiser und Nena, Nick Cave und Gianna Nannini, haut ab nach New York, kommt zurück, macht Mad Romeo auf und wieder zu, geht nach London, will zusammen mit dem späteren Robbie-Williams-Produzenten Guy Chambers und unter dem Namen Nikko & the Passion Fruit endlich Popstar werden, landet dann doch wieder in den USA, nimmt Soundtracks auf, und irgendwas fehlt da jetzt sicherlich. Seit ein paar Jahren ist Weidemann jedenfalls wieder in Berlin und trägt neuerdings eine martialische Augenklappe. Bei einer Auseinandersetzung vor einer Kneipe hat er sein linkes Auge verloren, das erste Album unter eigenem Namen heißt jetzt „Schöne Schmerzen“, aber nicht nur deshalb.

Die Songs erinnern in ihrer weichen Souligkeit, mit den satten Bläsern und den deutschen Texten, die sich Weidemann nun wieder zu singen traut, seien wir ehrlich, ein wenig an Max Herre und bisweilen sogar an Wolf Maahn. Falls sich tatsächlich noch jemand an den erinnert: Sogar der hatte seine paar sehr okayen Momente. Und die hat auch Weidemann mit seiner leicht quengeligen, etwas zu dünnen Stimme und dem Versuch, unvoreingenommen mit der deutschen Sprache umzugehen. Fast scheint es, als wolle Weidemann ganz bewusst eine Auseinandersetzung mit der Deutschtextproblematik verweigern und lieber ein paar der alten Fehler noch einmal begehen. Andererseits hebelt er genau so dann auch wieder Vorurteile aus, hat keine Angst vor der Schlager-Falle und deutscht anglo-amerikanische Klischees einfach eins zu eins ein: „Wart auf mich, Baby“.

Das funktioniert tatsächlich häufiger, als es misslingt, und mitunter entstehen dabei auch noch einige wenn nicht unbedingt erhellende, aber doch zumindest hübsch ziselierte Zeilen mit Reimzwang wie: „Du musst nicht traurig sein, ich kann dein Glück im Unglück sein“.

Fast so altgedient wie Weidemann sind Françoise Cactus und Brezel Göring. Sie gründete Mitte der Achtziger die Lolitas, er später wenig später die Sigmund Freud Experience. Seit 1993 schließlich sind sie nicht mehr nur ein Paar, sondern auch Stereo Total und nahezu so etwas wie Popstars.

Die Wartezeit auf das neue Album, das im April erscheinen soll, verkürzt das Duo mit „No Controles“, einer Sammlung neuer spanischer Versionen alter Hits. Eine wahnsinnige Sensation ist das jetzt nicht, haben sich die beiden doch schon immer mit viel Liebe zum demonstrativen Akzent an jeder verfügbaren Sprache vergangen. Nicht zuletzt darin lag ja oft der Charme des offensiv dilettantischen Electro-Pop mit Punkwurzeln. Und der ist auf „No Controles“ intakt, auch wenn Cactus mal nur ein Idiom schrecklich schief singen darf. THOMAS WINKLER

■ Nikko Weidemann: „Schöne Schmerzen“ (Wanderlust/Rough Trade), Live: 22. 1. NBI, 27. 1. Ä, 28. 1. Schokoladen, 1. 2. Intersoup

■ Stereo Total: „No Controles“ (Elefant/Alive)