Suche nach alten Schuhen

LEERSTAND Die Polizei durchsucht die Wohnung eines mutmaßlichen Hausbesetzers – „völlig unverhältnismäßig“ sagt seine Anwältin

„Bei Hausfriedensbruch gibt es klassischerweise keine Hausdurchsuchung“

SANDRA LEVGRÜN, POLIZEI-SPRECHERIN

In den Tagen vor der Demonstration des Netzwerkes „Recht auf Stadt“ gegen den Mietenwahnsinn war die Information durchaus ernst zu nehmen: Das ehemalige Finanzamt in der Straße Durchschnitt am Rothenbaum sei besetzt worden, hieß es im Oktober 2012. Die Gegenrecherche ergab: „Da ist nix“, wie Polizeisprecher Mirko Streiber damals sagte. „Kollegen sind mehrfach an dem Gebäude gewesen.“ Doch wie sich jetzt herausstellt, ist wohl doch etwas gewesen. Denn Polizisten durchsuchten am Freitag die Wohnung eines 21-Jährigen nach Schuhen, die bei einer Hausbesetzung am Durchschnitt 27 getragen worden sein sollen. Gefunden wurde nichts.

Der Vorwurf lautet: Am Aktionstag „Schlaflos in Hamburg – Mietenwahnsinn stoppen“ am 27. Oktober 2012 sollen Studierende in das Haus Durchschnitt 27-29 eingedrungen sein, um dort ein neues Studierendenwohnheim zu errichten. Es handelt sich um ein viergeschossiges Bürogebäude aus den 30er Jahren, das bis vor etwa fünf Jahren vom Finanzamt genutzt worden ist. Bei den Sanierungsarbeiten der weißen Fassaden kam dann zum Vorschein, dass es sich bei dem Gebäude um einen Rotklinker-Bau handelt. Die Sanierungsarbeiten des städtischen Hauses wurden eingestellt. Seitdem steht der Komplex leer.

„Die Hamburger Polizei konstruiert eine Hausbesetzung, die es nie gegeben hat, um Recht-auf-Stadt-Aktivisten zu kriminalisieren“, sagt Antonia Vega vom Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“. Kriminell seien nicht diejenigen, die gegen Wohnungsleerstand etwas unternehmen, sondern die Politiker, die ihn zu verantworten haben.

Auch Polizei-Sprecherin Sandra Levgrün ist über die Polizeiaktion etwas irritiert. „Ich kann dazu heute nichts sagen“, sagte Levgrün am Sonntag, „aber Hausfriedensbruch gehört nicht zu den klassischen Katalogstraftaten, bei denen eine Hausdurchsuchung angeordnet wird.“

„Die Durchsuchung war völlig unverhältnismäßig“, sagt die Anwältin des Betroffenen, Ingrid Witte-Rhode. So sieht es auch Marc Meyer, Jurist beim Mieterverein „Mieter helfen Mietern“. Die Unverletzbarkeit der Wohnung sei für ihn ein sehr hohes Gut, das mit allen Mitteln geschützt werden müsse. Aber bei einem Bürogebäude, dass vorsätzlich leerstünde, läge die Schwelle woanders. „Wer nach Schuhprofilen sucht, muss ja vorher aufwendig Spuren gesichert haben“, sagt Meyer.

Das Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“ hat den SPD-Senat aufgefordert, den Leerstand sofort zu beenden und das Gebäude in bezahlbaren Wohnraum umzuwandeln.  KAI VON APPEN