Der Protest ebbt ab

EAST SIDE GALLERY Zur vierten Kundgebung für den Erhalt des Mauerdenkmals kommen nur 300 Leute. Ein Thema ist erneut die angebliche Stasi-Vergangenheit des Investors Hinkel

Das Bauprojekt sei Ausdruck der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche

VON PLUTONIA PLARRE

Das kleine Rasenstück an der Mühenstraße füllt sich langsam. Es ist bereits die vierte Kundgebung für den Erhalt der East Side Gallery. „Ersatzgrundstück. Jetzt. Erst. Recht“ lautet am Sonntag das Motto. In Betracht des Andrangs bei früheren Protestveranstaltungen beschleicht einen das Gefühl, das öffentliche Interesse lässt nach. Nur rund 300 Menschen kommen nach Angaben der Veranstalter. Vor einem Monat waren es 10.000.

Für den Erhalt der East Side Gallery streitet eine Phalanx, die vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen: Vertreter von DDR-Opferverbänden wechseln sich am Mikrofon mit Angehörigen der Clubkommission und Aktivisten der Initiative „Mediaspree versenken!“ ab. Linke Seite an Seite mit kalten Kriegern – der Kampf um die East Side Gallery macht’s möglich.

Dabei geht es nicht nur um den Erhalt der unter Denkmalschutz stehenden Open-Air-Galerie. Der dahinter liegende, an die Spree reichende frühere Grenzstreifen – immer wieder fällt die Bezeichnung Todesstreifen – dürfe nicht bebaut werden, darin sind sich die Redner einig.

Die Schauspielerin Ellen Rappus vom DDR-Opfer-Hilfe-Verein gibt den Takt vor: Die Mauer gehöre zur Geschichte von Berlin und müsse ein Mahnmal bleiben: „Das sind wir den Opfern schuldig.“ Sascha Disselkamp von der Clubkommission spricht die Stasi-Vorwürfe an, die gegen den Investor Maik Uwe Hinkel erhoben worden sind. Hinkel will auf dem Gelände hinter der East Side Gallery einen Apartmentturm bauen. Daneben planen andere Investoren einen 120 Meter langen und 40 Meter hohen Gebäuderiegel. Zu den Stasivorwürfen werde man demnächst mehr aus der Presse erfahren, kündigt Disselmann an. Auf dem „Todesstreifen“ dürfe überhaupt kein Appartementhaus gebaut werden und erst recht kein Haus von einem Investor, „der aus einem Apparat kommt, der die Mauer gebaut hat“. Für ihn sei das eine moralische Frage.

Rainer Eppelmann, evangelischer Pfarrer, früherer CDU-Politiker und in der letzten DDR-Regierung Minister für Abrüstung und Verteidigung, warnt: „Der wichtigste Teil der Erinnerung des deutschen Volkes darf nicht zur Bedeutungslosigkeit verdammt werden.“ Eppelmann spricht als Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. „Kämpfen Sie weiter“, ruft er den Versammelten zu. „Baustopp jetzt“, skandiert einer im Publikum, und: „Wo ist Schulz?“ Der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht gekommen, dafür aber die grüne Fraktionsvorsitzende der Bezirksverordnetenversammlung, Paula Riester. Sie verweist darauf, dass alle Parteien in der BVV bis auf die CDU die Bebauung verhindern wollten. Vor den geplanten Wohntürmen würde sich die East Side Gallery wie ein Gartenmäuerchen ausnehmen. Herbst Moschinsky von „Mediaspree versenken!“ warnt: „Das Bauprojekt ist Ausdruck der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche.“ Die Baugrube für das Fundament sei schon 2 Meter tief ausgehoben.