„Zahlen sind wie Kampfbegriffe“

Wie funktioniert eigentlich Geldwäsche? Der Bremer Strafrechts-Professor Felix Herzog über „südländisch“ aussehende Typen, politische Juristerei und Banken, die ihre Pflichten übererfüllen

Bremen taz ■ Nein, der braune Stahlschrank in der Ecke ist ganz und gar unverdächtig. Ebenso der Schlapphut am Haken. Hier arbeiten keine verdeckten Ermittler. Und niemand redet von „Feldforschung“, von „teilnehmender Beobachtung“. Hier im neuen „Bremer Forschungscenter Geldwäschekriminalität“ (bfog) an der Uni Bremen geht alles ganz seriös zu.

Herr Herzog, wie kommt man als Jurist eigentlich dazu, über Geldwäsche zu forschen?

Felix Herzog: Es ist ein Thema, das auch die politischen Aspekte des Rechts berücksichtigt. Gleichzeitig weist die Bekämpfung der Geldwäsche ein gewaltiges Gefahrenpotential auf. Das fängt schon bei der Frage an, was als sauberes und was als schmutziges Geld betrachtet wird. Dafür müssen sie sich nur anschauen, wie sich die Bewertung von Bankplätzen danach richtet, in welchen politischen Allianzen man sich gerade bewegt. Bei meinen Forschungen geht es nicht darum, Ratschläge zu erteilen, wie man Geldwäsche effektiver bekämpfen kann, sondern um eine kritische Analyse und Begleitung.

Juristen wollen ja oft auch ganz gern unpolitisch bleiben.

Das gelingt auf diesem Feld nicht. Die Vorgaben, die für die Bekämpfung der Geldwäsche gemacht werden, kommen von einem informellen Organ der G8, wo sie mit Händen greifen können, dass dort politische Kräfteverhältnisse eine Rolle spielen. Es wird nach politischen Kriterien entscheiden, wer „gut“ und wer „böse“ ist. Russland beispielsweise galt lange Zeit als hochgefährdet. Dann hat man im Zuge der Integration Russlands in die G7 die Dinge von einem Monat auf den anderen ganz anders beurteilt.

Für die meisten Menschen ist die Frage der Bekämpfung von Geldwäsche unkompliziert.

Man stellt sich das einfach vor. Die Vorstellung ist: Es gibt bestimmte Bereiche von Kriminalität, wo viel Geld erwirtschaftet wird, und es gibt Täter, denen man das genau zuordnen und wieder wegnehmen kann. Aber dieser böse Bube ist eher die Ausnahme. Die meisten Fälle bewegen sich in der Grauzone zwischen Wirtschaftskriminalität und -fehlentwicklung. Das gilt etwa im Baugewerbe, in der Gastronomie oder im Import/Export. Hinzu kommt das Problem der Ausplünderung von ganzen Volkswirtschaften durch korrupte Politiker und Oligarchen.

Wie funktioniert eigentlich Geldwäsche?

Nur noch selten wie im Krimi: „Südländisch“ aussehende Typen stehen mit großen Tüten voller Geldscheine vor dem Bankschalter. Heute geschieht das hoch professionell. Zunächst geht es darum, das Schwarzgeld an den komplexen Kontrollmechanismen vorbei im Bankensystem unterzubringen. Wenn das geschafft ist, muss man durch eine Reihe von Transaktionen die Spuren verwischen. Am Ende geht es darum, das Geld in einem Schiffscontainer-Fonds oder einem Mietshaus anzulegen – ohne dass es dabei hohe Renditen abwerfen muss, denn das Hauptziel ist zunächst die Legalisierung von Vermögen.

Aber es gibt ja auch die Geldwäsche im kleinen Stil.

Auch das Geld aus dem Straßenhandel mit Drogen, aus der illegalen Zimmervermittlung an Asylbewerber oder aus dem Straßenstrich muss irgendwie platziert werden. Irgendwann wollen die Leute nicht mehr mit einem dicken Bündel Bargeld angeben, sondern zu seriösen Geschäftsleuten werden – auch wenn sie dann ihr schwarzes Geld versteuern müssen. Natürlich wird so durch manche Spielsalons, Pizzadienste oder Imbissstuben auch Geld gewaschen.

Welche Summen werden bei der Geldwäsche umgesetzt?

Alle Zahlen sind spekulativ. Manche Schätzungen sagen, dass weltweit jährlich 300-500 Milliarden Dollar gewaschen werden. Der Internationale Währungsfonds geht sogar von 700 bis 1.500 Milliarden Dollar aus. Für Deutschland wurden vor zwei Jahren 468 Millionen Euro geschätzt. Allerdings sind die Zahlen, die da kursieren, zum Teil wie Kampfbegriffe: Sie sollen dazu dienen, erweiterte Befugnisse durchzusetzen.

Helfen gläserne Konten bei der Bekämpfung der Geldwäsche weiter?

Das Gesetz hat allen Behörden, die mit Einkommenssteuerdaten arbeiten, bis hin zum Sozialamt, die Möglichkeit eröffnet, zu gucken, wo die Bürger ihre Konten haben. Hier geht es weniger um die Geldwäsche als um Steuerhinterziehung und Sozialleistungsbetrug. Da werden zwei Bereiche miteinander vermengt, die getrennt gehalten werden sollten. Das ist eine Tendenz, die sich im Zuge der Übergewichtung von Sicherheit immer mehr verbreitet. Hinzu kommt, dass es hier es auch um verdachtsunabhängige Ermittlungstätigkeit geht. Hier wird etwas, was der Bekämpfung der Schwerkriminalität dienen sollte, zur Kontrolle aller Bürger ausgeweitet. Und was als weiteres Problem dazu kommt: Der private Finanzdienstleistungssektor muss diese Überwachungsaufgaben im Staatsauftrag erfüllen, auf eigene Kosten. Und manche Banken neigen dazu, voreilig Verdachtsanzeigen weiterzuleiten, weil sie angesichts drohender rechtlicher Konsequenzen bloß nichts falsch machen wollen – und deshalb ihre Pflichten übererfüllen.

Interview: Jan Zier

www.bfog.uni-bremen.de